Huff, Tanya
Stellung innehat, dazu bewegen zuzugeben, daß solche Dinge möglich
wären."
Anscheinend wußte Ms. Chou auf alles eine Antwort - nur
war ihre letzte Bemerkung keineswegs eine vollständige Antwort gewesen. Die
junge Frau erinnerte Mike mehr und mehr an Vicki. „Und?"
Sie lehnte sich ein wenig vor, und zwischen ihren leicht
offenstehenden Lippen schimmerten die Zähne durch. „Ich habe festgestellt, daß
ich ihn nicht mag. Ich habe vor dem Interview Nachforschungen über ihn
angestellt und herausgefunden, daß er nicht nur stinkreich ist, sondern auch
keinerlei Laster hat. Er arbeitet hart, er spendet reichlich, und damit hat es
sich."
„Reiche dürfen aber nun mal keine hart arbeitenden, netten
Menschen sein?"
„Heute nicht mehr. Ich sage ja nicht, daß er an diesem
Ding mit dem Organdiebstahl beteiligt ist, aber er hatte, wie ihr bei der
Polizei wohl sagen würdet, auf jeden Fall Motiv und Gelegenheit." Zur
Unterstützung ihrer These hob sie einen Finger nach dem anderen. „Seine Frau
starb an Nierenversagen, während sie auf eine Transplantation wartete. Er hat
mehr Geld als die meisten Regierungen, und mit genug Geld hat man die
Möglichkeit, so gut wie alles zu tun."
„Er scheint so einen Organdiebstahl aber für unmöglich zu
halten. Seine Argumente klangen einleuchtend."
Ms. Chou lehnte sich zurück und wedelte abwertend mit der
Hand. „Das sollten sie auch, oder? Wußten Sie, daß Swanson eine Privatklinik
gegründet hat, in der Menschen im letzten Stadium eines Nierenversagens auf
eine neue Niere warten können?"
Celluci verschwendete einen Augenblick darauf, inbrünstig
zu hoffen, er persönlich möge nie das Mißfallen der jungen Reporterin erregen.
„Nein, das wußte ich nicht. Ich nehme an, die Polizei fand Ihre Theorien nicht
gerade hilfreich?"
Patricias Lippen verzogen sich zu einer Grimasse. „Die
Polizei hat mich mehr oder weniger beschuldigt, einen urbanen Mythos zur
Sensationsgeschichte aufzubauschen, um persönlich davon zu profitieren."
Wie sind die denn bloß darauf gekommen? fragte Mike sich
trocken. „Sie stellen viele Mutmaßungen an, Ms. Chou, aber richtige Fakten
haben Sie keine."
„Was hat Ihre Freundin?"
Mit einem schiefen Lächeln gab er zu, daß sie ins Schwarze
getroffen hatte. „Noch mehr Vermutungen. Aber sie sagt auch, daß wir irgendwo
anfangen müssen, weil wir ansonsten einfach verdammt noch mal nichts in der
Hand haben. Ich danke Ihnen, daß Sie sich Zeit für mich genommen haben."
Er streckte ihr die Hand hin und fügte hinzu: „Sobald wir Fakten haben, sage
ich Bescheid."
Ms. Chous Hand verschwand in der des Detective, und
trotzdem wirkte es so, als steuere sie die Geste, nicht er. Sie war aufgestanden,
und nun konnte Celluci sehen, daß sie viel kleiner war, als ihre Persönlichkeit
ahnen ließ. Ihr Lächeln ließ so viele Zähne aufblitzen, daß Celluci daran
denken mußte, wie viele der Leute, auf die er in den letzten paar Jahren
gestoßen war, keine wirklichen Menschen gewesen waren. „Na, dann machen Sie das
mal."
Sie hatte das nett genug gesagt, aber trotzdem war es eine
deutliche Drohung. Wenn du mich bescheißt, dann kannst du dich begraben lassen,
und das wird kein Zuckerschlecken.
Unter anderen Umständen hätte Celluci wohl anders
reagiert, aber kleine Frauen verunsicherten ihn immer irgendwie, also schob er
sich einfach nur zur Tür hinaus und zählte im Flur seine Finger, um sicherzugehen,
daß sie ihm jeden einzelnen wiedergegeben hatte.
Wenig später saß er im Kleinbus und ging die Informationen
durch, über die er jetzt verfügte.
Eine Leiche ohne Hände und mit einer fehlenden, operativ
entfernten Niere, die man aus dem Hafen von Vancouver gefischt hatte.
Patricia Chous Erläuterungen, warum die fehlende Niere für
eine illegale Transplantation gebraucht worden sein konnte, klangen völlig
plausibel, auch wenn ihre Abneigung gegen Ronald Swanson das nicht war.
Das organisierte Verbrechen hatte sich in der Tat in der
Vergangenheit der Fingerabdrücke von Toten bedient, und das würde die fehlenden
Hände erklären, außerdem hatte Vicki recht mit der Behauptung, die Mafia sei
immer auf der Suche nach neuen Verdienstmöglichkeiten. Zumindest schien die
Vorstellung von einem kriminellen Ersatzteillager einleuchtender als der
Gedanke, ein hochangesehener Geschäftsmann mit einer sozialen Ader könne Organe
verscherbeln, als handle es sich um hochwertige Radios, die man aus
irgendwelchen Autos geklaut hat.
Laut Patricia Chou war
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