Huff, Tanya
allein.
Er konnte die Dämmerung spüren. Selbst durch die Panik
und die Ra serei hindurch konnte er spüren, wie sich der Morgen
näherte. Einen Moment lang kämpfte er noch verzweifelter,
warf sich mit dem ganzen Körper gegen den Deckel seines Gefängnisses, aber dann
sank er in die Polsterung zurück und lag still.
Das vertraute Gefühl der am Rand des Horizonts bebenden
Sonne brachte die Vernunft zurück. Zu lange hatte Henry nur den
allgegenwär tigen
Gestank des Übels wahrgenommen und den Schmerz, den er sich selbst in dem verzweifelten Ringen um Befreiung
zugefügt hatte. Nun wußte er wieder,
wer er war.
Rechtzeitig
genug, um sich an den Tag zu verlieren.
Catherine hatte
allein arbeiten müssen, und so war es bereits nach sieben Uhr früh, als sie Donalds
Körper endlich fertig vorbereitet hatte und in der Kiste von Nummer neun anschließen
konnte. Eigentlich hatte sie dafür die Kiste
von Nummer acht nehmen wollen, aber dann hatte sie der Eindringling, der jetzt darin eingesperrt
war, gezwungen, ihre Pläne zu ändern.
Es würde Nummer neun nicht schaden, einmal eine Weile draußen zu
bleiben. Das könnte sogar gut für ihn sein.
Catherine gähnte und reckte sich, mit einem
Mal völlig erschöpft. Sie hatte eine lange und ereignisreiche Nacht hinter sich und
brauchte jetzt als Allerwichtigstes ein paar
Stunden Schlaf. Das unaufhörliche Hämmern aus der Box der Nummer acht war sehr
irritierend gewesen und hatte sie bei manchen der eher heiklen
Prozeduren erheblich abgelenkt. Catherine war ein paar mal versucht gewesen,
die Gefriereinheit in der Box
einzuschalten, nur um zu sehen, ob das den Störenfried beruhigen würde.
Wie bedauerlich, daß sie die Arbeit fast schon beendet
hatte, als er sein Hämmern dann endlich einstellte! So hatte sie die Stille nicht
lange genießen können.
Zehn
Vicki erwachte zuerst. Blind starrte sie zur Decke und
wußte nicht ge nau, wo sie eigentlich war. Das Zimmer war
ihr nicht vertraut, und die Schatten, aus denen ihre Welt bestand, wenn sie
keine Brille trug, waren keine Schatten, die sie erkannte. Ihr eigenes
Schlafzimmer war es jeden falls nicht und, trotz des Mannes,
der neben ihr immer noch fest schlief, auch nicht das von Celluci.
Dann erinnerte
sie sich wieder.
Sie hatten sich kurz nach Sonnenaufgang in das Bett
ihrer Mutter ge legt. In ihrer toten Mutter Bett. Beide - wo sie doch hätten zu
dritt sein sollen.
Wir alle drei in meiner toten Mutter
Bett? Der Gedanke war so sarkastisch, daß sich Vicki fast daran
verletzt hätte. Reiß dich zusammen, Nelson!
Mike hatte seinen Arm um sie gelegt, aber es gelang
Vicki, sich aus der Umarmung zu lösen, ohne den Freund zu wecken.
Dann tastete sie auf der Suche nach ihrer Brille den Nachttisch ab. An der
Jalousie vorbei drang ein wenig Tageslicht ins Zimmer, aber es reichte kaum aus.
Die Nase fast am Zifferblatt des
Radioweckers starrte Vicki finster auf dessen rotglühende Anzeige. Es
war zehn nach neun; sie hatte zwei Stunden geschlafen.
Wenn man die Ruhezeit dazurechnete, die Henry ihr hatte verschaffen können, dann konnte sie zufrieden
sein: sie hatte oft mit deut lich
weniger Schlaf auskommen müssen.
Vicki zog ihren Morgenmantel um sich und stand auf. Schlafen hätte sie nicht mehr können: sie mochte sich
ihren Träumen nicht stellen. Ein brennender
Henry, der verzweifelt ihren Namen rief, der verwesende Leib ihrer Mutter als Barrikade zwischen ihr und dem
Freund. Um Henry zu retten, hätte sie an ihrer Mutter vorbeigemußt, und
das konnte sie nicht. Noch immer spürte
Vicki die Angst, die über den Träumen gelegen hatte, gepaart mit dem Gefühl, versagt zu haben.
Man kann nicht behaupten, daß mein
Unterbewußtsein ein Blatt vor den Mund nimmt.
Auf leisen Sohlen ging Vicki hinüber zum begehbaren
Wandschrank, in dem Henry seine Tage verbracht hatte. Der dicke Teppich
schluckte jedes Geräusch. Er war relativ
neu, und Vicki erinnerte sich, wie glück lich ihre Mutter gewesen war,
ihre etwas schäbigen Bettvorleger durch einen
richtigen, dichten Teppich ersetzen zu können. Nach dem Licht schalter für die Lampe im Schrank mußte sie
suchen. Dann brannte diese, und Vicki
schloß leise die Tür hinter sich.
Es war, wie Henry gesagt hatte. Einem nicht
allzu großen Mann - oder Vampir - bot der Schrank gerade so eben
ausreichend Platz. Eine leuch tendblaue Matte, wie man sie beim Zelten verwendet, lag an
der einen Wand unter einer Kleiderstange,
die voller Kleider und Blusen hing. Auf der Matte lag,
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