Hummeldumm
versöhnlicher. »Ja?«
»Wollen wir nicht einfach versuchen, die Reise zu genießen? Wir müssen uns ja nicht gleich mit allen anfreunden.«
»Das«, seufzte ich, »wäre auch ein bisschen viel verlangt.«
»Bitte!«, flehte Sina. »Vergiss doch mal die anderen. Wir haben doch uns! Und das Land hier. Und dann haben wir auch noch eine supertolle Wohnung, wenn wir zurückkommen.« Fast schon beschwörend blickte Sina mich an. Ich biss mir auf die Innenseite der rechten Wange und dachte nach. Die Frage war, was übrig blieb von dieser Reise, wenn man die 81 Busstunden und die Dokusoap-Trottel abzog. Ich fragte Sina genau das.
»Ganz viel: die Wanderungen, die Landschaft, das Essen, die Tiere ... da ist so viel, was übrigbleibt!«
»Mhhh.«
»Bitte! Matze!«
»Du wirst mich nur mit Kopfhörer sehen im Bus.« »Kein Problem!«
»Ich werde mich mit keinem unterhalten, den ich nicht leiden kann.«
»Ich auch nicht, Matze. Ich auch nicht.«
»Und wir essen immer, ich wiederhole: immer zu zweit.«
»Kein Problem!«
»Immer, das ist I-M-M-E-R!«
»Alles, was du willst, aber lass es uns versuchen, okay?«
Ich atmete tief ein und schaute in die hoffnungsvollen, braunen Augen meiner Freundin. Wie konnte ich da ... »Okay. Dann ... versuchen wir's!«
Sina war so erleichtert, dass sie mir gleich einen dicken Kuss auf die Wange drückte. Und ich war es ehrlich gesagt auch ein bisschen. Vielleicht war ich ja einfach durch vom Job und dem Wohnungshickhack, und vielleicht hatte Sina ja recht, und alles war gar nicht so schrecklich, wie es die ersten Stunden aussah.
Es gab zwei Küsschen, dann schlurften wir Hand in Hand zu den anderen, als wäre nichts gewesen. Sie standen neben einem blutverschmierten runden Holztisch, auf dem frisch geschlachtete Fleischteile lagen, die von einem guten Dutzend Fliegen umkreist wurden. Daneben verkaufte ein junger schwarzer Kerl mit lustigem Kopftuch kleine Fleischschnipsel für zwei Namibia-Dollar, also für 20 bis 30 Cent unserer Währung. Bahee, der uns mit verzückter Miene versicherte, dass das hier frisches Rind sei und man das auch als Europäer ruhig essen könne, hatte die Backen schon voll.
»Der ist viel gesunder als eure depressive Chemieschnitzel im Supermarkt«, schmatzte er. Die Gruberin sonderte ein herablassendes Lachen ab und gab zu bedenken, dass es hier von Bakterien ja nur so wimmle, da komme sie mindestens drei Tage nicht von der Schüssel runter, wenn sie das Gammelzeugs auch nur anschaue.
»Und?«, fragte Sina, »probieren wir auch mal?«
»Aber klar doch!«, sagte ich, und Bahee orderte erfreut zwei Portionen Rinderstreifen für uns, die sogar überraschend gut schmeckten.
»Lecker!«, lobte ich und ließ ein »Tastes great!« für den BBQ-Meister mit dem lustigen Kopftuch folgen. In der Hosentasche vibrierte zweimal kurz mein Handy, nun hatte ich offensichtlich eine Kurzmitteilung bekommen. Sina zuliebe entschied ich mich dafür, sie später zu lesen.
Bahee führte uns weiter zu einer blauen Holzbude, in der eine ältere Einheimische auf einem blauen Plastikstuhl saß und uns neugierig musterte. Über ihr hingen an einer Metallstange einfache Kleider in verschiedenen Farben. Bahee begrüßte die Frau in der Landessprache, anscheinend mit einem Scherz, zumindest lachten beide. Wahrscheinlich hatte er so was gesagt wie: >Ich bin hier mit einer Herde primitiver Idioten unterwegs, aber was soll ich machen, is halt mein Job.<
»Das hier«, erklärte uns Bahee und nahm ein kleines, gelbes Kleid mit einem weinroten Gürtel in die Hand, »das sind nachgemachte Schuluniforme, ne. Weil alle Kinder die trage muss, und die Originale kosten mal viel Geld, die meisten kaufen hier die nachgemachte, aber halt nur, wenn welche gibt, weil der Nachfrage ist naturlich groß.«
»Maus?« Breitling nahm sich eines der Kleider von der Stange und reichte es Brenda. Ich ahnte das Allerschlimmste. »Siehste bestimmt lecker drin aus!«
Kurz darauf geschah, was ich befürchtet hatte: Wetterfloh Brenda Schiller hopste in einer kurzen roten Schuluniform lächelnd vor die Bude. »Tataaaa!«, trällerte sie und warf sich in Pose. Breitling behielt recht: Brenda sah lecker aus. So lecker, dass binnen Sekunden so ziemlich jedes Augenpaar der schwarzen Marktbesucher auf uns gerichtet war. Unsere Gruppe starrte ebenfalls auf Breitling und seine Maus, und für einen Augenblick waren Einheimische und Touristen vereint in ihrer schwarzweißen Fassungslosigkeit. Zum ersten Mal sah ich
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