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Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Titel: Humoristische Geschichte von New-York (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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verstanden, und um dem Bund mehr Kraft und Nachdruck zu geben, beschlossen sie eine jährliche große Zusammenkunft von Vertretern aller Provinzen.
    Beim Empfang dieser Nachricht ward Wilhelmus Kieft äusserst bestürzt; zum Erstenmal in seinem ganzen Leben vergaß er aufzubrausen. Er erwog in seiner geängsteten Seele alles, was er im Haag über solche Bündnisse gelesen, und fand endlich, daß dieses eine complette Nachahmung des Rathes der Amphictyonen sey, wodurch im Alterthume die Staaten Griechenlands sich zu unvergleichlicher Macht und Herrschaft emporgeschwungen hatten, und diese Vorstellung machte ihn für das Heil des Manhatten-Reichs zittern.
    Er ließ es sich nicht ausreden, daß es bloß darauf abgesehen sey, die Niederländer aus ihren schönen Besitzungen zu vertreiben und gerieth in große Wuth, wenn Jemand daran zu zweifeln wagte. Seine Ahnung blieb nicht ohne Bestätigung; denn bei der ersten Versammlung, die der Bund in Boston (welches Kieft nur das Delphos dieses wahrhaft classischen Bundes nannte) hielt, wurden Vorstellungen gegen die Niederländer beschlossen, «sintemal sie in ihrem Tauschhandel mit den Wilden sich Gewehre, Pulver und Blei abhandeln lassen, eine Entäußerung, die höchlich zu mißbilligen sey und den Colonisten sehr gefährlich werden könne.» Wenn die Handelsleute von Connecticut sich dasselbe zu Schulden kommen ließen, so war dieß doch ein Anderes, denn sie verkauften den Indianern immer nur solche Flinten, die ihnen sogleich platzten und daher Niemanden als diesen heidnischen Bestien gefährlich werden konnten.
    Das Entstehen des mächtigen Bundes war der Todesstoß für den Ruhm Wilhelms des Eigensinnigen, denn von diesem Tage an hielt er, wie viele bemerkten, nicht mehr das Haupt empor, sondern schien ganz wie abgeschlagen zu seyn. Die übrigen Tage seiner Regierung geben daher der Feder des Geschichtschreibers wenig zu thun. Versammlungen der Amphictyonen von der einen, donnernde Proclamationen und Protestationen von der andern Seite, worin Kieft wie ein erfahrner Seeheld sein ganzes Geschütz losließ, um eine Wasserhose platzen zu machen; leider aber waren es lauter blinde Schüsse.
    Der letzte Act, den die Geschichte von dem berühmten und gelehrten kleinen Regenten mittheilt, ist ein langes Schreiben an den Rath der Amphictyonen, wo er sich bitter über die Bewohner von Neu-Haven oder Red-Hill’s beklagt, daß sie den Aufforderungen, das Land Ihrer Hochmögenden zu verlassen, mit Impertinenz und Verachtung begegneten. Von diesem Briefe, der ein Muster eleganter Schreibart, und classischer Apophthegmen und Bilder ist, kann ich wegen Enge des Raums nur folgendes mittheilen: «Wahrlich, wenn wir die Einwohner von Neu-Hartford sich über uns beklagen hören, so ist es uns, als hörten wir den Wolf des Aesopus, der das Lamm beschuldigt, oder jenen jungen Menschen, welcher seiner Mutter, die sich mit der Nachbarin zankte, zurief: «O Mutter, schimpfe Sie nur gleich tüchtig, damit die Nachbarin ihr nicht zuvorkommt.» Uns sind aber durch frühere Vorfälle wohl die Augen geöffnet worden, als zum Beispiel jene Antwort war, die wir von den Einwohnern von New-Haven erhielten: «der Adler verachte das Käfer-Geschmeiß,» aber wir verfolgen demungeachtet unser Recht, mit gerechten Waffen und Mitteln, und verhoffen ohne allen Zweifel die ausdrücklichen Befehle unserer Oberen zu vollziehen.» Um dieß zu bekräftigen, schloß er mit einem Bannfluch, der jene Bewohner Squatters nannte und ihnen das Wohnen in den Neuen Niederlanden kräftig untersagte.
    So endet die authentische Chronik von der Regierung Wilhelms des Eigensinnigen. Die Frage, warum einige Geschichtschreiber der Zeit ihn ganz übergangen haben, möchte durch jenen Spruch des Califen zu beantworten seyn, der zu seinem Sohne sagte: «Beleidige den Derwisch nicht, damit du nicht deinem Geschichtschreiber an’s Ohr schlägst.» Hätte mancher Mann des goldenen Alters diese weise Lehre beachtet, wie glücklich wäre er den unbarmherzigen Kreuz-und Querstrichen entgangen, welche die Feder des Historikers über seine Physiognomie zog.
    So war es denn die ernste Aufgabe für mich, einen Mann aus dem Dunkel der Geschichte hervorzuziehen, dessen schöpferisches Genie dauernden Nachruhm verdient, da er es war, der die Tactik der Proclamationen und die Vertheidigung des Landes durch Trompeter und durch Windmühlen einzuführen verstand – Erfindungen, welche der Menschheit mehr Ehre machen als die des Schießpulvers

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