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Hunde Jahrbuch

Hunde Jahrbuch

Titel: Hunde Jahrbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dreizehn Autoren
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ist niedlich, das sind wirklich wunderschöne Vögel.“
    Die beiden sitzen weiter sprachlos da und genießen den ungewöhnlichen Moment. Nach einer Weile heben sich die Vögel aus dem Baum hoch in den Himmel und kreisen mehrere Male über dem Haus, dann fliegen sie in Richtung der hohen Berge davon.
    „Auf Wiedersehen!“, ruft die Frau. „Kommt bald zurück!“
    Und beide winken den Königen der Lüfte hinterher.

Der Jahrestag
    Shirley Michaela Seul

    Sie war wie jedes Jahr um diese Zeit ans Meer gefahren. All die Jahre zuvor war es wie all die Jahre zuvor gewesen. Deshalb fiel es ihr auch schwer, sich zu erinnern, denn alles war gewesen, wie es immer gewesen war, obwohl es anders sein sollte, denn es war mittlerweile ein bisschen wie Urlaub. Eine Zeit, die ihr niemand auszureden versuchte. Nicht ihre drei Töchter mit ihren drei Töchtern und vier Söhnen und auch nicht ihre zwei Söhne mit ihren zwei Töchtern und drei Söhnen. Francesco hätte Freude an ihnen gehabt. An den Söhnen und Töchtern der Söhne und Töchter. Er hätte Reime gemacht und sie gefragt, wohin er ein Komma – oder doch lieber einen Strichpunkt? – setzen sollte. Francesco. Dreizehn Jahre war er heute tot. Und sie war hier, weil sie an diesem Tag an diesen Ort gehörte. Ans Meer. An jenen Strand, der als sandgelber Streifen Glück durch ihre Erinnerung brandete. Als junge Frau, als Frau in den besten Jahren und als junge Mutter, als erfahrene Mutter. Immer dieser Strand und Francesco. Francesco mit den braunen Augen wie eine Umarmung. Er hatte sie so lange und so beharrlich geliebt, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als es ihm gleichzutun. Er hatte ihr sie selbst geschenkt.  

    Sie wohnte in derselben Pension am Ende des Dorfes, in der sie immer wohnte. Sie hatte nie mehr das Zimmer betreten, das sie mit Francesco bewohnt hatte, aber es war ja auch ein Doppelzimmer und jetzt war sie allein. Es tat ihr nicht weh, allein im Speisesaal zu sitzen beim Frühstück und beim Abendessen. Sie war es gewohnt. Zwölfmal war sie allein hierher gekommen. Die ersten Male voller Erinnerungen. Da war das Leben mit Francesco noch so nah wie gestern. Manchmal näher als das Heute. In den Jahren war es verblichen, nur das Gefühl nicht, wie das Leben schmeckte mit einem Francesco aus Fleisch und Blut an ihrer Seite.
    An diesem dreizehnten Mal war sie nicht mehr allein. Die Töchter und Söhne hatten ihr den Korb am Abend ihres Geburtstages vorbeigebracht. Um Himmels willen, hatte sie gedacht, eine Katze! Mit Katzen hatte sie sich noch nie angefreundet. „Kein Wunder“, hatte Francesco einmal gesagt, „die sind dir zu ähnlich.“ Sie hatte nicht gewusst, wovon er sprach. Zu spät hatte sie ihn verstanden. So spät, dass sie ihm nicht mehr sagen konnte: „Ich weiß jetzt, was du meinst. Dass ich sieben Leben habe und ich habe sie alle gebraucht, um ohne dich atmen zu können.“  
    Die vermeintliche Katze entpuppte sich als Hund. Sie wollte keinen Hund, wollte überhaupt kein Tier. Aber ihre Enkelkinder wollten. Und ihre Kinder. Alle wollten, dass sie den Hund wollte. Da wollte sie ihn eben. Und als alle fort waren und der Hund sich ihren Hausschuh schnappte und ihn in seinen Korb schleppte, um darauf einzuschlafen, wollte sie ihn wirklich. Seitdem wich der Hund nicht von ihrer Seite. Wo sie war, da war auch der Hund. Das hatte sich einfach so ergeben.
    Es war sehr windig und graue schwere Wolken hingen tief über dem Meer. Sie spazierte den Strand entlang, der öde und trostlos vor ihr lag, kalt der Sand. Hier war Francesco auferstanden. All die Jahre immer wieder auferstanden und sie hatte ihn neben sich gespürt, manchmal waren sie Hand in Hand gegangen an diesem Strand entlang an jenem Tag, auf und ab und auf und ab wie damals in den Nächten. Und auch dieses Mal hatte sie nichts anderes im Sinn, als auf und ab zu gehen mit Francesco. Doch der Hund war zum ersten Mal am Meer. Und das Meer war eine Herausforderung für ihn, er musste die Wellen in den Kamm beißen. Es kamen immer neue Wellen und der Hund sprang und jaulte und wusste nicht, wohin er zuerst laufen sollte, und raste durch den Sand und warf sich in das Wasser und wälzte sich in den Wellen und wühlte in der Gischt. Einmal brachte er stolz ein Stück Grillkohle, ein anderes Mal ein Kondom und dann wieder eine Badeschlappe. Sie musste „Nein“ rufen und „Aus“ und „Komm her“ und „Bleib da“. Meistens musste sie lachen. Sie ging auf und ab, ging aber viel zu langsam und

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