Hunde Jahrbuch
nachdenklich. Und auch heute tut sie das noch. Wohlgemerkt ein Hund, Emma nämlich, bewies in der geschilderten und sich auch später mehrfach wiederholenden Situation mehr soziale Kompetenz als ein Mensch, mein Schwiegervater nämlich, der sich als „Krone der Schöpfung“ zumindest in diesen Augenblicken als sozialer Rohrkrepierer entpuppte.
Noch interessanter ist aber die Frage, was mein vierbeiniges Mädchen in diesen Momenten wohl dachte oder vielmehr empfand? War es nur Korpsgeist oder gar Familiensinn, der sie so handeln ließ? War sie etwa um ihre „Oma“ besorgt, obwohl die für sie sicherlich nicht die erste Geige im Rudel spielte? Was gäbe ich nicht darum, einmal in Emmas mittlerweile grau melierten Doggenkopf hineinschauen zu können.
Ernie
Karin Oehl
1999 war für uns ein ereignisreiches Jahr. Mein Mann schied aus dem Berufsleben aus und wir hatten einen Sterbefall in der Familie, der uns viel abverlangte. Aber es gab auch eine sehr schöne Begebenheit und von der möchte ich hier erzählen.
Unsere Dackeldame sollte nach dem Tod ihrer Gefährtin in Ruhe alt werden. Viele Jahren hatten wir zwei Hunde, aber nun wollten wir nur noch einen. Unser großer Sohn war im Urlaub auf Naxos. Eines Tages kam ein Anruf: ,,Mutti, ich muss dir was sagen! Hier auf dem Campingplatz läuft ein junger Hund herum. Der gehört niemandem, er ist ganz mager und sucht anscheinend Futter. Er bekommt immer Fußtritte und Prügel, ich kann das nicht mehr mit ansehen!“ Meine Antwort hat er wohl nicht anders erwartet: „Bring ihn mit!“
Vorher waren noch einige Dinge zu klären. Doch zuerst einmal hat unser Sohn den Hund regelmäßig gefüttert. Dann wurde die Fluggesellschaft angerufen, um die Bedingungen für den Transport abzufragen. Danach ging es zum Tierarzt, wobei es gar nicht so einfach war, einen zu finden. Der Hund wurde entwurmt und geimpft, der Impfpass nach viel gutem Zureden vordatiert. Eine entsprechend große Hundebox musste gekauft werden. Natürlich wurde der Hund auch noch gebadet und entfloht; er bekam ein Halsband und eine Leine. Nun wagte es niemand mehr, das junge Tier zu schlagen oder zu treten, denn es hatte jetzt einen Besitzer. Das war nicht zu übersehen.
Auf die Frage des Tierarztes, wie der Hund denn heißen sollte, fiel unserem Sohn nur Ernie aus der Sesamstraße ein und so heißt er nun: Ernie. Ernie wich seinem neuen Herrchen und dessen Freundin nicht mehr von der Seite. Bei ihnen gab es eben regelmäßig und zuverlässig Futter, diese Menschen schützten ihn vor Übergriffen. Also blieb er.
Langsam ging der Urlaub zu Ende, die Probleme dagegen begannen nun erst richtig. Kein Taxi wollte Fahrgäste mit Hund zum Flughaben mitnehmen. Schließlich wurde auch dieses Hindernis aus dem Weg geräumt. Ernie hatte seine Schlaftablette im Leckerchen bekommen, war noch mal eine Löserunde gegangen und dann kam die Großaktion, die er offensichtlich letztendlich doch verschlafen hat.
In Köln angekommen, begrüßten wir einen total müden, aber wunderschönen Hund, der zwar mager war, doch mit einem glänzenden Fell ausgestattet. Zu Hause war er zunächst ganz verstört. Wir haben ihm Wasser und Futter gegeben; er nahm wenig, erkundete nervös die Wohnung und wurde dabei von einer Katze äußerst unfreundlich angefaucht. Das machte ihm Angst und er klammerte sich ganz dicht an unseren Sohn. Auch Spaziergänge mit Halsband und Leine kannte er nicht; und die Stadt – nein, genossen hat er die erste Zeit bestimmt nicht.
Doch Ernie lernte täglich Neues dazu und begann, sich sicherer zu bewegen und offensichtlich auch zu fühlen. Unser Sohn, der am wenigsten Zeit für ihn hatte, ist bis heute sein kleiner „Herrgott“, der stets stürmisch begrüßt wird. Nach einer gebührenden Eingewöhungszeit gingen wir mit Ernie zur Hundeschule. Er war sehr gelehrig, vor allem aber anderen Hunden gegenüber ungewöhnlich sozial. Bis heute hat dieser Hund nie gerauft. Im Gegenteil. Als wir mit einer Bekannten und ihrem kläffenden Winzling im Wald spazieren gingen, kam ein großer Herdenschutzhund mit erkennbar schlechten Absichten auf uns zu. Die Bekannte reagierte fast panisch. Ich ließ Ernie los, er lief freundlich auf den Großen zu und lenkte ihn ab. Nichts ist passiert.
Ernie wird nun bald neun Jahre alt. Sein lackschwarzes Fell glänzt immer noch schön, seine Schnauze ist inzwischen grau geworden. Er ist ein unglaublich charaktervoller Hund, der höflich und dezent Abstand von fremden
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