Hunde Jahrbuch
machte ihm nichts aus. Er nahm seine Mahlzeiten sowieso lieber ohne Zuschauer ein. Als er fertig war, spähte er noch einmal in die Taverne. Der Wirt stand am Tisch der Fremden und warf ihm einen warnenden Blick zu. Höchste Zeit, sich zu verdrücken.
Er lümmelte sich im Schatten einer Zeitungsbude, als die drei auf die Straße traten. Sie sahen sich suchend um und strebten dann zügig dem Ortsrand zu. Äußerst ungewöhnlich, wo doch Hotel und Campingplatz in entgegengesetzter Richtung lagen. Seine Neugier war geweckt. Es konnte nicht schaden, sie im Auge zu behalten. Geschickt den Schatten der Häuser ausnutzend, folgte er ihnen auf leisen Sohlen. Jetzt war er ganz froh, dass er keinen von seiner Sippschaft dabei hatte. Die Bande konnte ziemlich lästig werden, besonders nach Einbruch der Dunkelheit.
Plötzlich – genau unter der letzten Straßenlaterne – drehten sich die drei wie auf Kommando um. Darauf war er nicht vorbereitet. Schön dumm stand er jetzt da, wie ein ertappter Dieb. Die drei musterten ihn, steckten die Köpfe zusammen und tuschelten. Auf das, was nun folgte, konnte er sich beim besten Willen keinen Reim machen. Die drei fingen an zu schreien. Sie brüllten, als hinge er ihnen an der Kehle. Sie drohten ihm und schwangen die Fäuste. Irre! Verrückte! Wahnsinnige! Er war wie gelähmt und konnte sich nicht vom Fleck rühren. Und dann – er hatte es ja geahnt, den Kerlen darf man nicht trauen – bückte sich der Mann nach einem Stein. Er kannte das Spiel. Allein hatte er keine Chance. Da gab’s nur eins: sich ducken und abhauen. Für einen ehrenvollen Rückzug war es sowieso schon zu spät. Er rannte, so schnell er konnte, ins Dorf zurück. Erst am Ende der Straße wagte er sich umzublicken. Die drei Fremden waren verschwunden. Die Dunkelheit hatte sie verschluckt.
Falsches Pack! Mörder, Schinder, Sklaventreiber! Alle. Ohne Ausnahme. Er bebte vor Zorn. Was hatten sie bloß aus seinesgleichen gemacht? Eine Meute von Hungerleidern, Bettlern, Speichelleckern. Witzfiguren. Es war zum Heulen. Aber irgendwann würde er es ihnen heimzahlen.
Er schlief schlecht in dieser Nacht. Aus heiterem Himmel wusste er plötzlich, was es mit dem Duft auf sich hatte, der an den Fremden haftete. Es war nur ein Hauch, aber ausreichend, um die Erinnerung wachzurufen. Trotz des Teergestanks, der ihn immer noch quälte. Wie andere Farben oder Töne speichern, konnte er Gerüche speichern. Über lange Zeit. Sein Kopf war voll davon und auf seine Nase war Verlass. Er wurde unruhig. Er musste die Fremden wiederfinden. Unter allen Umständen.
In aller Frühe machte er sich auf den Weg. Am Ortsende, dort, wo er die drei zuletzt gesehen hatte, orientierte er sich kurz. Kein Problem, sie hatten Spuren hinterlassen. Er brauchte nur weiter geradeaus zu gehen, immer der Nase nach. Nach gut einem Kilometer hob er den Kopf, kniff die Augen zusammen und sog den Geruch ein. Das Meer! Natürlich, er hätte gleich darauf kommen können, sie wohnten am Strand! Er nahm die Abkürzung durch das Kiefernwäldchen, das zu dieser Jahreszeit ruhig und verlassen dalag. Dann bog er in die Schneise ein, die zum Wasser führt. Dabei blieb er möglichst in Deckung, eine Vorsichtsmaßnahme, die ihm schon in Fleisch und Blut übergegangen war. Kurz vor dem Ziel spähte er vorsichtig um die Ecke – und erstarrte.
Sie saß vor einem Wohnwagen und guckte Löcher in die Luft. Sie war blond, ziemlich jung, eher klein, sehr zierlich, ohne mager zu wirken. Sie hatte wunderschöne dunkle Augen mit einem leichten Stich ins Exotische. Ihm war, als sähe er sein Spiegelbild. Ihm wurde schwindlig. Er musste sich setzen.
Das leise Rascheln im Schilf war ihr nicht verborgen geblieben. Da verließ er sein Versteck und ging betont langsam auf sie zu, um sie bloß nicht zu erschrecken. Als sie ihn kommen sah, riss sie die Augen auf und schüttelte ungläubig den Kopf. Dann erhob sie sich und tippelte ihm mit kleinen, schnellen Schritten entgegen. Sie ging, während er unbeweglich stehen blieb, ein paar Mal um ihn herum. Dabei piepste sie wie ein Vögelchen. Plötzlich knuffte sie ihn in die Seite und fiel ihm um den Hals. Sie freute sich. Ganz eindeutig, sie freute sich. Sie lachte richtig! Kein Zweifel, auch sie erinnerte sich. Der Duft, einzigartig, war jetzt ganz nah. In kindlichem Übermut fing sie an zu rennen. Immer schneller und schneller rannte sie über den Strand hinaus ins flache Meer. Nur mit Mühe konnte er mithalten. Sie war unglaublich
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