Hunde Jahrbuch
Gäste zu füttern, die es nicht selber konnten. Ich schwor mir, mit der Besitzerin von Dusty über dessen enorme und außergewöhnliche Fähigkeiten zu reden. Ob sie davon wusste? Hatte sie mit ihm trainiert? War er ausgebildet worden in der Zwischenzeit?
Tausend Fragen im Kopf, ging ich durch die Reihen der Hundeunterkünfte. Es war leiser als sonst. Warum stritt sich Nixe, die schwarze Drahthaar-Hündin, heute nicht lautstark mit der Weimaranerin Gina? Merkwürdig … Die beiden konnten sich doch sonst nicht auf fünfzig Meter Entfernung riechen. Ich nahm die Ruhe erfreut zur Kenntnis. Als ich gerade Lara und Max, die beiden dauerverliebten, schwarzen Teufel mit Hunderttausend-Volt-Temperament, in den Auslauf lassen wollte, bekam ich, an deren Behausung angekommen, fast einen Herzschlag. Die Hunde waren weg. Was für eine Katastrophe! Die Tür stand halb offen, und von Lara und Max fehlte jede Spur. Ich hatte aber doch den Abend zuvor alle Boxen verschlossen. Kein Hund ist in der Lage, diese Zwingerschlösser eigenständig zu öffnen. Selbst die größten Ausbruchkönige scheitern an solch einem Sicherheitsmechanismus! Gerade gingen mir schon die schlimmsten Visionen durch den Kopf, als ich Laras Spielaufforderungsbellen aus Richtung Auslaufwiese vernahm. Ich hinkte an den Wiesenzaun, und da sah ich die zwei. Munter wie jeden Morgen tollten sie ausgelassen zusammen herum. Aber wie, zum Teufel, waren sie auf die Wiese gelangt? Wie waren sie aus ihrem Zwinger entwischt? Noch ehe ich eine Antwort auf all die Fragen finden konnte, sah ich den Hovawart bereits mit Futtersack und Gießkanne angetrabt kommen. Er füllte die Näpfe von Lara und Max mit Wasser und Futter, zwinkerte erneut mit dem Auge, öffnete geschickt mit den Vorderzähnen das Tor zur Auslaufwiese und verschloss es wieder, als Lara und Max von der Wiese zurück in ihren Zwinger gestürmt waren, um sich das Frühstück schmecken zu lassen.
Mein Fuß schmerzte wahnsinnig, mein Gehirn schien zu explodieren und irgendwie hatte ich nur noch einen Wunsch: hinsetzen, um nicht die Besinnung zu verlieren. Eine handlungsunfähige, bewusstlose Tierpensionsleitung mit elf großen Hunden alleine auf einem riesigen Grundstück – eine tolle Vorstellung! Mittlerweile hätte wohl auch ein Marsmensch landen können, es hätte mich an diesem Morgen nicht mehr gewundert. Also setzte ich mich auf das Flachdach einer freien Hundehütte und schaute mit einem hysterischen Lachen zu, wie die schlaue Nixe sich vollkommen selbstständig die Tür zur Auslaufwiese öffnete, im Vorbeilaufen noch ihrer Erzfeindin Gina die Freiheit schenkte, indem sie auch dort die Tür entriegelte, und beide Hündinnen in wundersam vertrauter Einigkeit auf die Wiese liefen. Dusty bereitete den Damen zwischenzeitlich auf die bereits beschriebene Weise das Frühstück, zog mit seinen Eckzähnen noch behände die Decken gerade, zwinkerte abermals mit dem Auge und diesmal sah es nach „Ordnung muss sein …“ aus. Gleich fängt er an zu reden, dachte ich, und kein Mensch auf dieser Welt wird mir auch nur irgendetwas von dieser Geschichte glauben. Ob man so was mal mit einem guten Psychiater besprechen könnte? Alle elf Hunde – und sie waren ganz normale Haushunde, meines Wissens nach ohne jegliche Spezialausbildungen – versorgten sich an diesem Morgen selbst. Ich war nur noch Zuschauer, saß wie angewurzelt auf der Hundehütte und wohnte einem unglaublichen Schauspiel bei.
Hunde merken, da sie mit sehr feinen Antennen ausgestattet sind, wenn es uns Menschen einmal schlecht geht. Sie können dann auch durchaus sehr unvorhergesehen reagieren. Das war mir schon klar. Aber was hier vor sich ging, war für mich absolute und unerklärliche Magie. Das war nicht von dieser Welt, sondern von einem anderen Stern! Ich rekapitulierte, hatte für das Geschehen nicht die leiseste Erklärung und wusste auch nicht so recht: Sollte ich mich freuen über die selbstständigen Handlungen der Hunde, sollte es mir unheimlich sein, sollte ich an meinem Verstand zweifeln oder sollte ich einfach ...? Genau! Ich tat, was der Arzt geraten hatte, zog mir den Gummistiefel aus, legte den Fuß auf die Hütte, machte Pause und – klar: Dusty kam mit der Gießkanne und ließ behutsam das kühle Nass über meinen großen Zeh rieseln.
„Danke, Dusty, guter Hund!“
Er zwinkerte wieder, und diesmal verstand ich ihn genau.
„Gern geschehen, du umsorgst uns jeden Tag, den wir hier sind, da sind wir eben auch
Weitere Kostenlose Bücher