Hundeelend
Literarische Autoren hingegen, die sich einbilden, die Sonne würde selbst noch aus ihrem finstersten Tintenloch scheinen, fühlen sich darüber erhaben. Während sie über Gott und die Welt schwadronieren, sehen sie sich als aufrechte Verfechter der Meinungsfreiheit, befördern aber im Grunde lediglich die Anarchie. Sie erliegen der Illusion, ihre Ansichten wären bedeutender als die aller anderen, nur weil sie ein paar kunstvolle Sätze drechseln können. Doch vor allem unterstützen wir deshalb keine PEN-Autoren, weil ihre Bücher größtenteils völliger Mist sind. Es würde viel mehr Empörung in der Öffentlichkeit auslösen, wenn ein John Grisham oder ein James Patterson für eine staatskritische Haltung verhaftet würde – und es gibt vermutlich sogar einige unverbesserliche Ideologen, die eine solche Haltung von ihnen fordern –, trotzdem halten diese Autoren klugerweise die Klappe.
Jeff hatte recht. Ich war abgelenkt.
Ich werde nicht gerne hinterrücks überrumpelt. Nachdem Alison mir mitgeteilt hatte, sie sei schwanger, es sei tatsächlich ihr Ernst, um mir anschließend sogar den Schwangerschaftstest zu zeigen, hatte ich entgegnet, das beweise gar nichts, außer dass sie mich mit gefälschten Dokumenten zurückgewinnen wolle. In Wahrheit sei sie
doch nur scharf auf meinen Laden, mein Geld und meine Reputation, außerdem plane sie vermutlich einen weiteren Mordanschlag auf meine Mutter.
Woraufhin sie in Tränen ausbrach.
An diesem Punkt neigte ich dann doch dazu, ihr Glauben zu schenken, denn ich bin ein ziemlich guter Menschenkenner. Außerdem war es etwa sechs Wochen her, dass wir zum ersten und letzten Mal Sex miteinander hatten; obwohl es natürlich nicht auszuschließen war, dass sie mit ihrem Exmann geschlafen hatte oder mit irgendjemandem sonst, der sie darum gebeten hatte. Aber da war auch noch die Art, wie sie sich an mich klammerte und mir versicherte, sie wüsste nicht, was sie tun sollte, und ich sollte doch bitte nicht mehr böse auf sie sein, und sie hätte wirklich nicht vorgehabt, meiner Mutter so einen Schrecken einzujagen, sie würde sich auch ganz schlimme Selbstvorwürfe wegen des Schlaganfalls machen, und wie sollte Mutter denn jetzt mit einem gelähmten Arm und dem anderen, der kaum besser war, das Baby halten?
Ich erklärte ihr, darüber brauche sie sich keine Sorgen machen, denn der Schock, Großmutter zu werden, würde sie vermutlich ohnehin töten.
»Vielleicht magst du es ihr ja erzählen und ihr persönlich den Todesstoß versetzen?«, fragte ich.
Offensichtlich war das nicht die Reaktion, mit der sie gerechnet hatte. Sie keifte mich an und ich keifte zurück. Anschließend saßen wir eine Weile einfach nur da. Mit dem Finger strich ich an der Innenseite der Frappuccino-Tasse entlang und leckte ihn ab. Alison meinte, sie fühle
sich elend. Ich erklärte ihr, es sei wohl noch ein wenig früh für die schwangerschaftstypische Morgenübelkeit. Woraufhin sie mich aufforderte, mich zu verpissen.
Draußen standen wir zusammen im feuchtkalten Wind, wobei wir betont Abstand hielten. Ihr Laden lag ein Stück die Straße runter und meiner schräg gegenüber.
»Also«, sagte sie.
»Also«, sagte ich.
»Genug Stoff zum Nachdenken«, sagte sie.
Ich nickte. »Ich denk darüber nach.«
»Aber überleg nicht zu lange.« Sie nickte. Und marschierte davon. Ich kehrte in meinen Laden zurück. Als Verbrechensbekämpfer bin ich an Drohungen gewöhnt. Und Alison hatte mir eindeutig gedroht. Subtil, aber unüberhörbar. Überleg nicht zu lange. Sie hatte lediglich vergessen, das »oder …« anzuhängen. Überleg nicht zu lange, oder ich werde etwas unternehmen, beispielsweise es wegmachen lassen . Sie hatte mir ein Ultimatum gestellt, aber auf diese typische, unspezifische Frauenart. Sie hatte mir klargemacht, dass ich entweder sofort in den Teambus einstieg oder für immer abgemeldet war. Ich sollte Ball mit ihr spielen, oder sie würde sich das Leder schnappen, es mit nach Hause nehmen und dort mit ihm machen, was sie wollte. Sie konnte das Kind zur Adoption freigeben. Sie konnte mir das Besuchsrecht verweigern. Oder sie konnte woanders hinziehen, nach Südafrika oder in einen entlegenen Vorort von Belfast. Schließlich wusste sie genau, dass ich Belfast nicht verlassen konnte wegen meiner chronischen Allergien gegen Hitze und Staub, Fliegen, Gras, Kühe, Käfer, Getreide, Obst, Blech,
Holz und alles mögliche andere. Was nach außen hin wie ein unschuldiger Umzug in eine
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