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Hundert Jahre Einsamkeit

Hundert Jahre Einsamkeit

Titel: Hundert Jahre Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Garcia Marquez
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Schlafzimmers mit Bergkristallspiegeln verkleiden. All das machte ihn leichtlebiger und verschwenderischer denn je. Mit dem Zug, der täglich um elf Uhr ankam, erhielt er Kisten um Kisten mit Champagner und Brandy. Auf dem Rückweg vom Bahnhof schleppte er zu einer Stegreifsauferei alle mit, die er unterwegs traf. Einheimische oder Fremde, Bekannte oder Unbekannte, ohne Unterschied von Stand und Klasse. Sogar der aalglatte Señor Brown, der nur in einem seltsamen Idiom zu verkehren verstand, ließ sich von den verführerischen Zeichen locken, die Aureliano Segundo ihm machte, und so betrank er sich mehrmals sinnlos in Petra Cotes' Haus und ließ sogar seine wilden deutschen Doggen, die ihn überallhin begleiteten, zu texanischen Liedern tanzen, die er zum Takt des Akkordeons irgendwie kaute.
    »Aus dem Weg, Kühe«, schrie Aureliano Segundo im Festestaumel. »Aus dem Weg, das Leben ist kurz.«
    Er hatte nie besser ausgesehen, er war nie beliebter gewesen, nie hatte seine Zucht üppiger floriert. Man schlachtete so viele Ochsen, Schweine und Hühner bei den endlosen Gelagen, daß die Erde des Innenhofs von all dem Blut schwarz wurde und schlammig. Der Hof war ein einziger Abfallhaufen von Knochen und Gekröse, ein Misthaufen von Überresten geworden, so daß man alle Augenblicke Dynamitkerzen anzünden mußte, damit die Aasgeier den Geladenen nicht die Augen auskratzten. Aureliano Segundo wurde schwammig, er lief violett an und wurde schildkrötenhaft infolge eines Heißhungers, der nur mit dem José Arcadios nach seiner Rückkehr von seiner Weltumseglung zu vergleichen war. Der Ruf seiner zügellosen Freßgier, seiner unmäßigen Verschwendungssucht, seiner unvergleichlichen Gastfreiheit reiste über die Grenzen des Moors hinaus und zog die anerkanntesten Fresser der Küste an. Aus allen Teilen reisten sagenhafte Vielfraße herbei, um an den in Petra Cotes' Haus veranstalteten unsinnigen Turnieren der Ausdauer und Widerstandsfähigkeit teilzunehmen. Aureliano Segundo war der unbesiegte Eßmeister bis zu jenem glücklosen Samstag, an dem Camila Sagastume erschien, ein im ganzen Land unter dem schönen Namen Die Elefantin bekanntes totemistisches Weibchen. Der Zweikampf zog sich bis in den frühen Dienstag hinein. Nachdem Aureliano Segundo in den ersten vierundzwanzig Stunden ein Kalb mit Maniok, Yamswurzel und gebratenen Bananen und außerdem eineinhalb Kisten Champagner vertilgt hatte, war er seines Sieges gewiß. Er wirkte auch begeisterter, vitaler als seine unerschütterliche Gegnerin, die offensichtlich einen berufsmäßigeren Stil besaß, dadurch aber die buntscheckigen, das Haus überflutenden Zuschauer weniger entflammte. Während der von Siegesdurst beflügelte Aureliano Segundo schlang, zerteilte die Elefantin das Fleisch mit Chirurgenkunst und aß es ohne Hast, ja mit einem gewissen Vergnügen. Sie war riesenhaft und massig, doch trotz ihrer kolossalen Korpulenz überwog ihre zarte Weiblichkeit, außerdem hatte sie ein so schönes Gesicht, so feine gepflegte Hände und einen so unwiderstehlichen persönlichen Charme, daß, als Aureliano Segundo sie ins Haus treten sah, er leise hinwarf, er hätte das Turnier lieber im Bett als am Tisch ausgetragen. Später, als er sie die Kalbskeule verspeisen sah, ohne gegen eine einzige Regel des guten Geschmacks zu verstoßen, bemerkte er allen Ernstes, dieses zartfühlende, betörende und unersättliche Rüsseltier sei gewissermaßen die ideale Frau. Er irrte nicht. Der Ruhm einer Knochenknackerin, der der Elefantin vorausging, ermangelte der Grundlagen. Sie war keine Ochsenwürgerin, auch keine Bartdame eines griechischen Zirkus, wie es hieß, sondern Leiterin einer Singakademie. Sie hatte bereits als achtbare Familienmutter essen gelernt, und zwar auf der Suche nach einer Methode, nach der ihre Kinder besser zu ernähren waren, doch nicht mittels künstlicher Appetitanreger, sondern durch die absolute Ruhe des Geistes. Ihre in der Praxis bewiesene Theorie fußte auf dem Grundsatz, daß ein Mensch, der alle Gewissensfragen ins reine gebracht hat, bis zur völligen Erschöpfung unentwegt essen kann. Folglich setzte sie aus moralischen Gründen und nicht aus sportlichem Ehrgeiz Akademie und Heim hintan, um sich mit einem Menschen zu messen, dessen Ruhm als großer Esser ohne Grundsätze landauf, landab reiste. Sobald sie Aureliano Segundo sah, wußte sie, daß ihn nicht der Magen, sondern der Charakter im Stich lassen würde. Nach Ablauf der ersten Nacht, während die

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