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Hundert Namen: Roman (German Edition)

Hundert Namen: Roman (German Edition)

Titel: Hundert Namen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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langweilig. Ich hab noch nie in meinem Leben irgendwas Interessantes gemacht, gedacht, gewusst oder gesehen.«
    Kitty lachte wieder. »Ich finde dich aber sehr interessant.« Das war nicht gelogen. Sie genoss Mary-Roses Gegenwart, sie genoss es, dass sie in ihre Welt eingeladen worden war. »Na ja, wie würde es dir gefallen, in dem Artikel vorzukommen, den ich gerade schreibe? Meinst du nicht, das wäre interessant?«
    Auch jetzt kam der gleiche Blick, den Kitty bei den anderen gesehen hatte: Schüchternheit, Verlegenheit, Sich-geschmeichelt-Fühlen, aber vor allem die Angst, vielleicht nicht gut genug zu sein, um in einem Zeitschriftenbericht aufzutauchen.
    »Worum geht es denn in dem Artikel?«
    »Um die Leute auf einer Liste.«
    »Wie viele Leute sind auf der Liste?«
    »Einhundert insgesamt.«
    Mary-Rose sperrte die Augen auf. »Und wie lang soll die Geschichte werden?«
    Kitty lächelte. »Wie lang ist denn deine?«

    Mary-Rose tupfte mit dem Finger die Krümel vom Tisch und ließ sie wieder fallen, während sie schüchtern auf Kittys Fragen antwortete.
    »Ich bin sicher, dass die anderen Leute interessant sind, die haben bestimmt ein aufregendes Leben. Ich bin bloß Friseurin, ich arbeite zwei Tage die Woche in einem Salon in Booterstown, wo ich mein ganzes Leben verbracht habe, und zwei Tage als Freie. Den Rest der Zeit verbringe ich zu Hause bei meiner Mum.«
    »Wo arbeitest du denn als Freie? Für eine Zeitschrift? Oder fürs Fernsehen?«
    »O Gott, nein. Debütantinnenbälle und Junggesellinnenpartys sind so etwa die aufregendsten Sachen, für die ich was mache, aber hauptsächlich bin ich im Krankenhaus.«
    »Im Krankenhaus?«
    »Ja, die rufen mich, wenn sie jemanden brauchen. In Krankenhäusern gibt es keinen Friseursalon, aber oft fühlen die kranken Leute sich besser, wenn sie die Haare gemacht kriegen. Manchmal schminke ich sie auch, aber das ist nicht so gefragt. Durch so etwas bekommen die Kranken wieder ein bisschen Selbstachtung – jedenfalls war das bei meiner Mum so.«
    »Deine Mum war im Krankenhaus?«
    »Ja, sie hatte einen Schlaganfall. Ziemlich jung, mit zweiundvierzig. Jetzt ist sie vierundvierzig und muss immer noch rund um die Uhr gepflegt werden, aber wenn ich ihr damals die Haare gemacht habe, ging es ihr jedes Mal ein bisschen besser. Natürlich nicht körperlich, aber innen drin. Wenn jemand das möchte, mach ich ihm auch die Nägel. Zwar bin ich keine qualifizierte Nageldesignerin, aber ich hab immer eine ganze Auswahl verschiedenfarbigen Nagellack dabei. Ehrlich gesagt freuen sich viele Leute im Krankenhaus auch einfach über ein bisschen Gesellschaft und Abwechslung.«
    »Ich finde es toll, dass du so was machst. An so etwas hab ich noch nie gedacht.«
    »Aber ich nehme Geld dafür, so nett bin ich nämlich gar nicht«, meinte sie. Offensichtlich war ihr Kittys Kompliment peinlich.
    »Wie geht es deiner Mutter denn inzwischen?«
    »Nicht so gut. Ihre ganze linke Körperhälfte ist gelähmt, deshalb braucht sie bei fast allem Hilfe. Sie musste auch noch mal sprechen lernen.«
    »War das nicht sehr schwer für dich?«
    Mary-Rose lächelte. »Bestimmt nicht so schwer wie für sie.«
    »Wer kümmert sich denn um sie?«
    »Zwei Stunden am Tag kommt eine Pflegerin, und dann … na ja, wenn ich zu Hause bin, helfe ich ihr natürlich.«
    »Hast du Geschwister?«
    »Nein.«
    »Einen Vater?«
    »Nein.«
    »Das ist eine ganze Menge Verantwortung.«
    »Ach, es ist, wie es ist. Ich liebe meine Mum, ich würde alles für sie tun.«
    Gerade als Kitty ansetzte, Mary-Rose zu erklären, dass sie alles andere als ein langweiliges Leben führte, wurde es noch interessanter.

    Sam klopfte mit einem Löffel an sein Glas und zog damit nicht nur die Aufmerksamkeit seines eigenen, sondern auch die der Nachbartische auf sich. Breit grinsend sahen die Freunde sich an – anscheinend wussten sie, was sie erwartete.
    »O Gott«, stöhnte Mary-Rose und machte sich auf ihrem Stuhl so klein wie möglich.
    »Was ist los?«, fragte Kitty.
    »Das wirst du gleich sehen«, antwortete Mary-Rose, und ihre Wangen röteten sich.
    Sam stand auf und klopfte weiter an sein Glas, bis wirklich das gesamte Restaurant zu ihm schaute. Weil sie nicht wussten, wie sie auf diese seltsame Störung reagieren sollten, behielten der Geschäftsführer und die Kellner den Störenfried im Auge.
    »Ich störe Sie alle ja nur sehr ungern«, begann Sam höflich und als könnte er kein Wässerchen trüben. »Und ich verspreche, dass ich

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