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Hundestaffel

Hundestaffel

Titel: Hundestaffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Abermann
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kein Wort. Von Zeit zu Zeit knurrten die Hunde. Hannes lenkte den Wagen von der Autobahn herunter und in Richtung eines Waldstücks. Er wählte die immer enger werdenden Straßen mit Bestimmtheit, es schien, als wäre er den Weg schon oft gefahren. Wir hielten schließlich am Rand eines Forstwegs. Als Hannes den Motor abwürgte, ging auch das Radio aus, die Stille der Gegend drang in den Wagen. Der Geruch nassen Waldbodens füllte meine Lungen. Ich hustete, zündete eine neue Zigarette an. Wir stiegen aus, die Hunde blieben auf ihrem Platz, erst auf Befehl ihres Herrn setzten auch sie sich in Bewegung. Hannes schritt auf ein kleines Tor aus roh behauenen Birkenstämmen zu. Die Hunde flankierten ihn. Ich machte mich daran, sie einzuholen.
    Um irgendetwas zu sagen, fragte ich ihn, was er am Vorabend gemacht habe. Ich gab mir Mühe, die Ironie in meiner Stimme zu unterdrücken, um zu verschleiern, dass ich die Antwort bereits kannte. Prüfend beobachtete ich seine Reaktion. Hannes rang sich ein Schmunzeln ab. Er hätte eine flachgelegt, sagte er. Zum Essen hätte er sie eingeladen, sagte Hannes, und es wäre ein Start-Ziel-Sieg gewesen. Alles an ihr hätte „Nimm mich“ gerufen. Er lachte. Und diesen Wunsch hätte er ihr nur zu gern erfüllt, sagte er mit angeberischem Brummen in der Stimme. Ich antwortete nicht, biss nur die Zähne zusammen. Seine Lüge machte mich wütend. Zum ersten Mal, seit ich Hannes kannte, hatte ich Lust, ihn zu schlagen. Einfach zulangen und ihm die Selbstgefälligkeit aus der Visage wischen. Er hätte es nicht kommen sehen, hätte es nicht verstanden. Doch das wäre nur gerecht gewesen. Auch ich verstand nicht mehr, wohin sich meine Welt entwickelte. Doch ich schluckte den Ärger hinunter und hörte weiter Hannes’ Lügen zu.
    Der Wald um uns lichtete sich zunehmend, bevor er den Blick auf eine Wiese freigab. An einer Wegbiegung blieb Hannes stehen. Auf seinen Befehl hin platzierten sich die Hunde vor ihm. Als er sprach, klang seine Stimme beinahe nachdenklich: Mit den Frauen sei es eigentlich wie mit der einfachsten Mathematik; Physik eigentlich: die Aktion und die Reaktion. Wenn du einen Ball an die Wand wirfst, prallt er zurück. Er hätte sie mit einem Essen umworben und wäre belohnt worden. So hätte alles seine Ordnung. Hannes fixierte die Wiese, als suchte er nach etwas. Die gesamte Welt funktioniere auf dieselbe Weise: Ein ewiges Wechselspiel von Handlung und Wirkung, die sich gegenseitig bedingten und aufsummierten. Zwei plus zwei gebe immer vier, sagte Hannes. Die Hunde starrten ihn erwartungsvoll an. Hannes seufzte gespielt genüsslich: Kurzum, beschloss er seine Predigt, es wäre eine Nacht gewesen, die er so schnell nicht wieder vergessen würde. Er sah mich an und zwinkerte vielsagend. Ich versuchte, ein anerkennendes Nicken zu Stande zu bringen. Zumindest in einem Punkt waren wir uns einig: Auch ich würde die Nacht so schnell nicht vergessen.
    Hannes setzte sich erneut in Bewegung, seine Hand fuhr im Gehen unter sein Hemd, nestelte seine Halskette unter dem Hemd hervor. Ich blickte zum Himmel. Karfreitagswolken. In Hannes’ Hand blitzte es. Er ließ die Kette wie einen Rosenkranz baumeln. An ihrem Ende hing die Hundepfeife. Anubis und Garm fixierten das Blitzen. Erhoben sich. Und folgten ihm. Ich bildete einmal mehr das Schlusslicht.
    Hannes kämpfte sich den Hügel hinauf. Oben angekommen, verharrte er wieder in seiner Beobachterpose. Wieder nahmen die Rottweiler ihre Plätze an seiner Seite ein. Ein Priester und seine Ministranten. Die Hunde fixierten die Pfeife. Hannes’ Augen streiften über die Wiese. Sein Blick war konzentriert, angespannt, bis sich schließlich, wie ein winziger Lichtreflex, eine freudige Entspannung in seine Züge mischte. Er befeuchtete die Lippen mit der Zunge. Hob die Pfeife. Die Hunde richteten sich ruckartig auf. Hannes blies. Kein Ton. Die Hunde richteten den Blick auf die Weide. Majestätische Aggression vereinte die drei. Nicht ein Mensch und zwei Hunde standen vor mir, sondern drei Tiere. Hannes stieß zweimal kurz in die Pfeife. Kein Ton. Kein Ton. Die Hunde verfielen in einen Trab, teilten sich auf, beschrieben mit ihren Wegen ein V, wie Löwinnen pirschten sie sich durch das matte Grün der Wiese. Hannes’ Blick schoss durch diesen Winkel wie ein Pfeil und fand dort endlich sein Ziel. Dort hinten im Feld stand reglos ein Hase.
    Die Hunde begannen, schneller zu laufen, Hannes hob erneut die Pfeife, langsam, abwartend, der Hase hob den

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