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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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nachlief. »Ich will dich nicht dabeihaben!«
    Am Daumen nagend, eine alte zerschlissene Puppe im Arm und keinen Gedanken an ihre X-Beine verschwendend, die unter ihren fast achtzig Kilo schon ein wenig schwankten, stand Anne Katrine dann da und guckte ihren kleinen Bruder ungläubig an. Jedesmal wieder schien sie von seinen Zurückweisungen überrascht zu sein.
    »Du mußt … Papa sagt!« protestierte sie, als ob sie sich an eine höhere Ordnung wandte, gegen die man nicht argumentieren konnte, aber Knut erwiderte nur: »Da scheiß ich doch drauf, du blöde Tomate.« Dann sprang er auf sein Fahrrad und ließ Anne Katrine mit einem so bedrückten Gesichtsausdruck auf dem Fußweg zurück, daß er die Zähne zusammenbeißen mußte, bis ihn der Blick auf ein rotes Backsteinhaus knapp einen Kilometer von daheim auf andere Gedanken brachte. Nur konnte er das Mädchen, das dort wohnte, nirgendwo sehen. Hätte ich doch bloß eine verchromte Hupe , dachte er und fuhr weiter zum Hafen, um nachzusehen, ob neue Schiffe angekommen waren. Wie so oft benutzte er nicht sein eigenes braunes Rad, wenn er zum Hafen wollte, im Grunde war es immer eines der anderen aus dem Schuppen. Sich ein anderes Fahrrad zu besorgen, war eine nervenaufreibende Angelegenheit, und einmal hatte Askild ihn dabei erwischt. Knut wußte, daß wahrscheinlich nichts passiert wäre, wenn der Vater nichts getrunken hätte, aber Askilds Atem war schon von weitem zu riechen, und während er seinen Sohn wütend fragte, ob er glaube, daß es sich hier um einen Geschenkartikelladen handeln würde, zog er ihn an den Härchen hinter den Ohren. »Wieso schlägst du mich nicht einfach?« hatte Knut seinem Vater ins Gesicht geschrien. »Wieso brichst du mir beispielsweise nicht einfach die Nase?«
    Nie hatte Knut die Geschichte vom Waldbrand vergessen, die mit einer gebrochenen Nase endete. Sein Vater war ganz einfach ein Typ, der seinen Kindern die Nase mit einem Spazierstock brach. Außerdem log er. Wie oft hatte er versprochen, daß Knut mit auf die Werft dürfe, wenn die neugebauten Schiffe zu Wasser gelassen wurden, und wie oft hatte er es sich im letzten Moment anders überlegt und erklärt: »Beim nächsten Mal, ich schaff’ es heute nicht.« Mein Vater ist ein Typ, der nichts auf die Reihe kriegt , dachte Knut an dem Tag, an dem er als Dreizehnjähriger in der Fahrradhandlung am Skibhusvej stand und auf die lange Reihe glänzender Fahrradhupen starrte. Der Verkäufer hatte bereits zweimal gefragt, was er suche, und Knut hatte geantwortet: »Nichts.« Der Verkäufer war ein Lehrertyp, das sah er sofort; wieso Knut sich angewöhnt hatte, die Leute in Typen zu unterteilen, weiß man nicht. Der Lehrertyp schnüffelt überall herum , dachte er und ließ einen Finger über die verchromten Hupen gleiten, und mit einemmal – wie es geschah, wußte er selbst nicht – hatte er sich eine Hupe geschnappt und stürzte aus dem Laden, der Verkäufer rannte hinterher. So schnell er konnte, lief Knut die Straße hinunter bis zur Friedenskirche, wo er den Fußweg überquerte und schließlich durch ein Loch in der Hecke verschwand, das der Verkäufer übersah. Dütbööt, klang es eine halbe Stunde später, als die Hupe wie ein hübscher Edelstein an seinem rostigen Lenker glänzte, dütbööt, dütbööt … Eines Tages besorg’ ich mir ein nagelneues Fahrrad , dachte Knut und fuhr in der Gegend des roten Backsteinhauses herum, bis er ein Stück weiter die Straße hinunter das Mädchen sah.
    »Wenn ich alt genug bin, selbst zu bestimmen, komme ich und hole dich«, rief Knut, und das Mädchen sah ihn mißtrauisch an und fragte: »Wieso glaubst du, daß ich von dir geholt werden will?«
    »Warte nur«, entgegnete Knut, »du wirst schon noch wollen.«
    Das Mädchen war zwei Jahre jünger als er, und Knut sah sich mit dem Schiff in eine unbekannte Hafenstadt kommen, in der sie am Kai stand und ihm bewundernde Blicke zuwarf. Insgeheim träumte er auch von einem tätowierten Schwanz, den er herausholen würde, wenn das Mädchen an Bord gekommen war. Bisher hatte er mit Askilds Lineal nur dreizehn Zentimeter bei voller Erektion gemessen, aber das kommt noch , dachte er, jetzt habe ich erst mal die Hupe . Solche Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als er nach Hause kam und zwei Polizisten und einen aufgeregten Verkäufer sah, die sich mit Askild vor dem Schuppen unterhielten. »Da ist er!« schrie der Verkäufer und zeigte auf den Täter, worauf Knut sein Fahrrad umdrehte und

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