Hundsköpfe - Roman
Askild brüllte: »Komm her, du Dieb, du sollst einfach nur herkommen!«
»Das mußt du gerade sagen!« schrie Knut, als er den vier Männern davonraste. »Schaut doch mal in den Schuppen!« Aber keiner der Polizisten hielt es für nötig, sich den Schuppen anzusehen. Denn letztlich ging es nur um eine Fahrradhupe, und alle hatten die verchromte Hupe am rostigen Fahrrad des Täters gesehen. Knut fuhr hinunter zum Hafen. Auf dem Weg traf er das Mädchen wieder und schrie: »Eines Tages komme ich, da kannst du sicher sein!« Sie streckte die hellrote Zunge aus, um ihre Verachtung für alles zu zeigen, was er ihr zu sagen hatte.
»Und dann küsse ich deine Zunge!« rief Knut, während er den Weg zum Hafen weiterfuhr, wo seine Verzweiflung im Takt mit dem einsetzenden Regen immer größer wurde. Was sollte er bloß sagen, wenn er nach Hause kam?
»Verdammt, wieso habe ich nur diese Hupe geklaut«, fluchte er und kroch unter ein Vordach, um sich vor dem Regen zu schützen, »man darf sowieso nie etwas behalten.« Knut hatte den Eindruck, daß Askild ihn während seiner gesamten Kindheit wie ein Habicht überwacht hatte. Der Vater schnüffelte überall herum, platzte, ohne zu klopfen, einfach in das Zimmer, das er mit seiner Schwester teilte, durchwühlte seine Sachen und riß die Tür zum Badezimmer auf, ohne auf die Privatsphäre anderer Leute Rücksicht zu nehmen, zum Beispiel die seines Sohnes, den er mit heruntergelassener Hose erwischte, als er gerade dabei war, sein erigiertes Glied mit einem Lineal zu messen. »Hä!« hatte Askild gesagt.
Ich will überhaupt nicht mehr nach Hause , dachte Knut, aber als er seinen Mut zusammennahm und irgendeinen Skipper fragte, ob er auf seinem Schiff übernachten dürfe, guckte der Mann ihn mit zwei rotgeäderten Augen an und polterte: »Glaubst du, ich betreibe hier ein Hotel, Bürschchen?« Seine Klamotten waren durchnäßt, seine Gedanken liefen im Leerlauf, und die verchromte Hupe lag direkt vor ihm, es war bereits spät am Abend, als der vom Regen durchweichte Knut endlich wieder ins Haus am Tunøvej schlich.
»Mit einem dämlichen Lächeln auf den Lippen«, brüllte Askild, der ungewöhnlich schlechter Laune war, nachdem er an diesem Tag ein sehr unangenehmes Erlebnis gehabt hatte. Er war vor einer kleinen Rahmenwerkstatt am Rande der Innenstadt stehengeblieben und vor dem Schaufenster ins Grübeln gekommen. Die Werkstatt war bekannt für ihre alte Handwerkstechnik, und Askild hatte wirklich Spaß an der Idee, einige seiner Gemälde rahmen zu lassen, bis ihm auffiel, daß auf der anderen Seite des Schaufensters ein Mann stand und ihn ansah. Einen Augenblick später ging die Tür auf, und ein großer hagerer Mann, offenbar der Inhaber des Geschäfts, trat auf die Straße. »Sind Sie jemals in Deutschland gewesen?« fragte er, und Askild, der an nichts, was mit Deutschland zusammenhing, erinnert werden wollte, auch nicht an die eher munteren Landgänge in der Zeit zwischen den Kriegen, antwortete sofort: »Nein, weiß Gott nicht.«
»Hm«, sagte der hagere Inhaber, der einen verwirrten Eindruck machte; seine Sprechweise war nicht normal, er arbeitete sich in einer unregelmäßigen Geschwindigkeit vor, als müsse er, während er einen Satz formulierte, jedes Wort neu erfinden, »dann muß ich mich wohl geirrt haben.«
Ist das einer aus den Lagern? grübelte Askild auf dem Heimweg. Was weiß er über mich?
Um das mindeste zu sagen, die Begegnung mit dem hageren Mann hatte sein Gemüt aufgewühlt. Auf dem Heimweg sah er kurz im Corner vorbei und trank sechs Schnäpse auf einen Sitz, bevor er weiterging, noch immer mit dem Gefühl, daß irgend etwas anfing zusammenzustürzen. Und als er nach Hause kam und zwei Polizisten vor seinem Schuppen stehen sah, war er schlagartig sicher, daß ihm der Teppich unter den Füßen weggezogen wurde – die Vergangenheit hatte ihn eingeholt, und in einer wahnsinnigen Vision sah er die Überschriften des morgigen Tages vor sich: Kriegsverbrecher nach 25 Jahren enttarnt. Schlug seinen Kameraden mit bloßen Händen tot.
Welch eine Erleichterung, als ihm klarwurde, daß es nur um eine blöde Fahrradhupe ging! Großvater hätte den drei Männern gern in ihre ernsten Gesichter gelacht, einen Augenblick später jedoch kam Knut auf seinem Fahrrad, und nicht genug damit, daß er nicht gehorchte, er hatte auch noch etwas von den Rädern im Schuppen gebrüllt. Eine peinliche Geschichte, was bildete der Junge sich eigentlich ein? Vielleicht war es
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