Hundsköpfe - Roman
auch nur eine Frage der Zeit, bis die Polizei wieder vor seiner Tür stand, dann allerdings mit ernsthafteren Beschuldigungen, organisiertem Fahrraddiebstahl zum Beispiel, vorsätzlichem Mord …
Und so geschah es, daß Askild fest in die Härchen hinter den Ohren des Sohnes griff, als der durchweichte Knut sich wieder zu Hause sehen ließ, ihm die Hosen herunterzog und den blanken Hintern versohlte. Hier allerdings war eine Grenze gesteckt – die Grenzlinie, die einst während einer geheimen Übereinkunft im Nordland bei zwei Tassen Kaffee festgelegt worden war. Und als Knut seinen verlorenen Kampf gegen die Übermacht und nicht zuletzt gegen die Scham austrug, verschwand Segelohr in seinem Zimmer und legte eine Elvis-Platte auf. Anne Katrine versuchte, unters Bett zu kriechen, aufgrund ihrer Fettleibigkeit gelang es ihr allerdings nur zur Hälfte, und Bjørk stand nervös in der Tür und achtete darauf, daß ihr Ehemann die geheime Übereinkunft nicht durch den Einsatz von Hilfsmitteln brach oder auf andere Stellen als den blanken Hintern schlug … Nur Knut wünschte, er hätte eine Ohrfeige bekommen, statt wie ein Kind behandelt zu werden. Wenn ich alt genug werde, um selbst zu bestimmen , dachte er hinterher, dann kriegt er, verdammt noch mal, von mir den Arsch voll . Beim Frühstück am nächsten Morgen bekam niemand Blickkontakt zu dem Jungen, der nur auf seinen Teller starrte, während Askild zu einer längeren Moralpredigt anhob. Anstatt zur Schule zu gehen, schnappte sich Knut nach dem Frühstück ein Fahrrad und fuhr hinunter zum Hafen, um noch einmal mit dem rotäugigen Skipper zu reden. Diesmal insistierte er. Er wollte den Griff nicht lockern, mit dem er den Arm des Skippers hielt, er verstellte ihm den Weg und wäre wohl auch auf die Knie gefallen, wenn der rotäugige Skipper sich nicht vorher des Jungen erbarmt hätte und ihn auf eine Tasse Kaffee in die Kajüte einlud.
»Aber ich kann dir leider nicht helfen«, sagte er und breitete die Arme aus, »ich muß nur nach Ålborg.«
Auch für Askild war die Geschichte nicht vollkommen ausgestanden. Den ganzen Tag sah er den hageren Mann aus der Rahmenwerkstatt vor sich, und die Gespenster der Vergangenheit, die er versucht hatte, mit seinem fünfundzwanzigjährigen Schweigen zu bannen, stiegen aus der Tiefe und vermischten sich am späten Nachmittag mit dem Bild dieses schnoddrigen Verkäufers, der irgend etwas von mangelnder Erziehung geredet hatte. Das war ja wohl seine Sache, wie er seine Kinder erzog, dachte er auf dem Heimweg von der Werft und spazierte kurz darauf in die Fahrradhandlung am Skibhusvej, warf einen überlegenen Blick in Richtung des Verkäufers und sagte: »Ersparen Sie mir Ihre Kleinlichkeiten, und verkaufen Sie mir ein Fahrrad.« Askild hatte gerade Lohn bekommen und verwendete einen großen Teil davon für eines der teuersten Fahrräder des Ladens. Knut hatte bald Geburtstag, und wieso ihm nicht schenken, wovon er träumte, wieso nicht einmal großherzig sein? Es war ein besonderer Genuß zu sehen, wie die Überlegenheit des Verkäufers sich in ein höfliches Dienern verwandelte, und es war ein ebenso großes Vergnügen zu hören, wie er den gestrigen Diebstahl der Fahrradhupe als ein Mißverständnis bezeichnete, »darüber brauchen wir doch nicht mehr zu reden, Herr Eriksson. Sie bekommen eine ordentliche Hupe als Zugabe, und dann reden wir nicht mehr davon.«
Eine halbe Stunde später kam Askild mit dem neuen Fahrrad nach Hause, am Lenker glänzte eine überdimensionierte Hupe, und Großvater war eigentlich ziemlich zufrieden mit sich. Wenn die Vergangenheit beschlossen hatte, ihn einzuholen, dann hatte er zumindest eine letzte gute Tat getan, und er setzte sich ins Wohnzimmer, goß sich ein Bier ein und begann, erwartungsvoll mit den Fingern auf den Tisch zu trommeln. So saß er einige Stunden, immer ungeduldiger, da der Sohn nicht auftauchte, und schließlich schickte er seinen Ältesten los, um den jüngeren Bruder zu suchen. Es war lange her, seit Segelohr zum letzten Mal in dieser Mission unterwegs war, aber instinktiv fuhr er zum Hafen und begann die Passanten zu fragen, bis ihm ein rotäugiger Skipper erzählte, daß der besagte kleine Bruder sehr gut der Junge sein könnte, der im Augenblick in der Kajüte seines Schiffes saß und sich weigerte, von Bord zu gehen. »Wir laufen in einer halben Stunde aus«, sagte er zu Niels und breitete die Arme aus, »also sieh zu, ob du ihn überreden kannst.«
Aber Knut war
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