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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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die Tochter hörte auf, so naseweis zu sein, nun saß sie wieder still in ihrem Zimmer und schrieb Worte auf rosa Briefpapier, so wie es sich für ein richtiges Mädchen gehörte, und eigentlich war alles wieder soweit in Ordnung in der Familie Qvist am Nyboværftsvej, bis der Schmied eines späten Abends Karen in die Küche hinausrief und ihr den Teppich unter den Füßen wegzog: Andere Klöße in die Suppe, sonst ist Schluß, finito! Ich habe schließlich auch meine Träume. In einem letzten, verzweifelten Versuch, den Träumen ihres Ehemannes zu entgehen, versuchte Karen, sich mit ihrer Tochter verbünden, die auch nicht besonders scharf auf die Aussicht war, wenige Monate bevor sie durchbrennen wollte, nach Grönland zu ziehen. Die Briefe, die Odense erreichten, bekamen nach und nach einen immer verzweifelteren Ton.
    Wir müssen unsere Pläne ändern. Wir müssen jetzt sofort abhauen! las Segelohr. Mein Vater ist schwachsinnig, meine Mutter ist verrückt, ich halte es nicht mehr länger aus. Segelohr antwortete mit goldenen Versprechungen, und obwohl er eigentlich alt genug war, um abzuhauen, brachte er es dennoch nicht fertig. Jedenfalls zog die Familie Qvist nach Grönland, noch bevor irgend jemand durchbrennen konnte, und Bjørk registrierte kurz darauf eine deutliche Verschlechterung der Laune ihres Sohnes. Nicht einmal die rosafarbenen Briefe, die nun aus Grönland kamen, schienen ihn noch aufmuntern zu können. Ihm gefiel der Ton darin nicht. Diese offenkundige Begeisterung, diese allzu fröhliche Euphorie, die zeigte, daß Marianne einen anderen gefunden hatte, mit dem sie nun wilde Dinge treiben konnte – nämlich den Schmied, der mit seiner Tochter Jagdausflüge in die Berge unternahm, der sie mit Hundeschlitten übers Eis fahren ließ, mit dem sie Eisbären beobachtete, und der Segelohrs Geschichte von dem vom Nordlicht erleuchteten Luchs armselig aussehen ließ. Wenn wir noch immer zusammen abhauen wollen , schrieb Marianne Qvist, ist Grönland ein phantastisches Land, um abzuhauen!
    Und auch zwischen die Zeilen seiner Briefe begann sich ein anderer Ton zu schleichen: Ist nur Dein Vater bei den Jagdausflügen dabei? Du triffst Dich doch nicht mit anderen Jungen, oder? Sogar Mariannes Paradenummer, die sie vorgeführt hatte, um ein letztes Band zwischen den Reisenden zu knüpfen, wurde nun zu einem Eckstein ihrer hilflosen Scharmützel: Haben noch andere die Sache mit dem Teddy gesehen? Du denkst doch daran, die Gardinen zuzuziehen?
    Und Marianne antwortete: Selbstverständlich bist Du der einzige, der weiß, was ich mit Zigeuner-Hans mache. Aber was ist mit Dir? Wer läßt Dir jetzt nachts die Spucke zusammenlaufen? Wieso kommst Du eigentlich nicht? Du hast doch versprochen, daß wir zusammen abhauen, sobald Du achtzehn bist. Das war vor mehreren Monaten!
    Ich habe das Gefühl, daß ich bloß lästig wäre , schrieb Segelohr zurück.
    Der Ton zwischen ihnen wurde nicht besser, als zu Eifersucht und Mißtrauen noch der mütterliche Eingriff kam. Bjørk zumindest war keinesfalls der Ansicht, daß die erste Zeit in Odense für ihren Sohn den richtigen Verlauf nahm. Kurz nach der Ankunft hatte der Rektor der neuen Schule die Eltern zu einem Gespräch gebeten und verlangt, daß Segelohr eine Klasse wiederholen sollte, da seine Probleme mit der dänischen Sprache zu einer wesentlichen Verringerung seines Lerntempos führten. Außerdem saß er ständig in seinem Zimmer und starrte in die Luft, wenn er nicht Briefe schrieb, die er häufig wieder zerriß. Er hat überhaupt keine neuen Kameraden , dachte Bjørk und beschloß, daß etwas passieren mußte. Als sie das erste Mal einen der rosafarbenen Briefe in der Hand hielt, war es zweifelsohne am schwierigsten. Wie den Diebstahl von Briefen rechtfertigen? Bjørk entschied für sich, daß es zu seinem eigenen Besten wäre, und dann knüllte sie den rosa Brief ganz einfach zusammen und warf ihn weg.
    Wieso schreibst Du nicht mehr? schrieb Segelohr. Hast Du einen anderen?
    Natürlich nicht! schrieb Marianne zurück. Du schreibst doch nie!
    Bjørk erwischte nicht alle Briefe. Sie kassierte ungefähr jeden zweiten, und anders als beim ersten Mal versteckte sie sie nun in einem Karton auf dem Boden des großen Schrankes im Schlafzimmer. Auch die Briefe des Sohnes fing sie hin und wieder ab: »Laß mich den Brief einwerfen«, sagte sie, »ich zahl das Porto.« Ohne Unrat zu ahnen, gab Segelohr den Brief seiner Mutter, und schließlich hatte sie zwischen dem Paar so

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