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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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prägen schien. Sie sah ihre Mutter einem speckbackigen Engel zuprosten, sie sah, wie sie mit wild flatterndem blondem Haar auf einem Motorrad durch den Garten Eden raste, und kurze Zeit später sah sie ihre Mutter auch in mehr oder weniger obszönen Situationen, in denen sie sich rosenlippigen Engeln hingab und behaarte Satyrn ihren weißen Hals küssen und ihre Schenkel streicheln ließ, während ihr Mund Sätze wie »Das Leben ist schön« und »Der Himmel ist herrlich« formte.
    Gewiß, daß die Mutter dort oben ein süßes Leben führte, setzte Leila zuversichtlich ihre Aufräumarbeiten fort, doch einige Zeit später bemerkte sie bestimmte bedrückende Veränderungen, Szenerien von Mutlosigkeit, verzerrte Gesichtsausdrücke und vor allem das häufigste Motiv: Elisabeth in Gesellschaft von weinenden Engeln. Nicht einen Moment zweifelte sie an der Ursache der Misere. Mutter litt in den himmlischen Gefilden, weil eine gewisse Haushälterin sich des Hauses bemächtigt hatte. In letzter Zeit hatte Leila spätabends ein knarrendes Schleichen im Haus bemerkt, und in dem Bewußtsein, der verlängerte Arm ihrer Mutter auf Erden zu sein, hatte sie begonnen, sich aus dem Bett zu stehlen, wenn das Licht gelöscht war. Zunächst hatte sie nichts Außergewöhnliches beobachten können, aber dann, eines Abends, hörte sie plötzlich die Tür der Haushälterin. Sie kroch unter ein Möbelstück und sah Lillian, bekleidet mit einem durchsichtigen Nachthemd, das im Mondlicht schimmerte, tanzend auf bloßen Füßen wie eine Elfe die Treppe hinunterkommen. Dieser fürchterliche Anblick – ja, die eigentliche Verwandlung, die sich mit der sonst so ordinären Haushälterin vollzogen hatte – nahm Leila jeglichen Mut. Anstatt sich ihr in den Weg zu stellen, kroch sie nur noch weiter unters Mobiliar und beobachtete mit bebendem Herzen, wie die verhexte Haushälterin sich selbst im Spiegel zulächelte, bevor sie zu Hans Carlo ins Schlafzimmer schlich, um den Platz einzunehmen, an dem die Mutter einst gelegen hatte.
    Von diesem Augenblick an war die Haushälterin nicht mehr nur ein irritierender Bestandteil des alltäglichen Lebens. Sie war zu einer Todfeindin geworden, und Leila tat alles, um sie in den Augen ihres Vaters zu diskreditieren. Sie drehte den Gasofen auf, damit das Essen anbrannte. Sie streute Farbe in die Waschschüssel, wenn Lillian wegsah. Sie legte Reißzwecken in ihre Schuhe, und einmal, als ihr Vater beschloß, die schwergeprüfte Haushälterin mit ins Kino zu nehmen, holte sie ein Glas mit Abführtabletten aus dem Medizinschrank, löste sieben Stück auf und schüttete sie in Lillians Kaffee. Das Ergebnis war vorhersehbar. Das Paar kam mitten in der Vorstellung zurück, Hans Carlo ein wenig verwirrt, als Lillian mit hochrotem Kopf ins Badezimmer stürzte, sich ihr Kleid vom Leib riß und schrie: »Ich sterbe vor Scham!« An diesem Abend ging Leila hinunter in den Keller, um die vom Wasser beschädigten Photographien zu betrachten, und sie bemerkte bestimmte erfreuliche Veränderungen in Mutters himmlischem Leben. Eine gewisse Heiterkeit, eine himmlische Freude unter den Engeln, doch was immer sie auch anstellte, das Vergnügen war jedesmal nur von kurzer Dauer. Bald kehrten die Bilder der Mutlosigkeit und der weinenden Engel zurück, und auf Dauer konnten weder Reißzwecken, Abführtabletten noch heimliche Verwünschungen die Katastrophe verhindern. Zwei Jahre nach Elisabeths Tod erklärte Hans Carlo, daß er erneut heiraten und Leila eine neue Mutter haben werde. »Ich weiß, es wird schwer«, sagte er verständnisvoll und fügte dann weniger nachsichtig hinzu, »aber du wirst dich daran gewöhnen müssen, sie Mutter zu nennen.«
    »Nein!« schrie Leila.
    In den Wochen bis zur Hochzeit wurde Leila Zeugin von erschütternden Episoden, wenn sie das Leben ihrer Mutter unter den weinenden Engeln studierte: große Verzweiflung, Trauer und Zähneknirschen. Als der Hochzeitstag kam, hatte ihre Anteilnahme an der himmlischen Kümmernis so sehr an ihrer Widerstandskraft gezehrt, daß sie nach mehreren Stunden hartem Zureden die Haushälterin endlich so ansprach, wie alle es von ihr erwarteten. Aber niemand konnte sie dazu bringen, das kleine Wort zu streichen, das sie aus Protest vor die erzwungene Liebeserklärung schob. »Nun sag es schon«, drängten die Gäste, und Leila biß die Zähne zusammen und flüsterte: »Herzlichen Glückwunsch … Frau Mutter.«
    So entstand die Anredeform »Frau Mutter«, die später, bei

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