Hundsköpfe - Roman
über Benjamin ausgelassen hatte und Mutter sofort erklärte, daß Elvis kein phantastischer Name wäre, zauberte Bjørk den Namen Asger hervor. Es war ein Kompromiß, auf den sich alle, bis auf Askild, einigen konnten. Askild empfand Bjørks Vorschlag sogar als persönliche Kränkung, denn über viele Generationen waren die Namen Askild und Niels abwechselnd auf die erstgeborenen Söhne der Familie übergegangen.
»Askild und Niels«, sagte Stinne viele Jahre später und warf einen spöttischen Blick auf Großvater. »Wie hängen diese Namen eigentlich mit deinen Wurzeln in der französischen Aristokratie zusammen, so ganz genau, meine ich?«
»Halts Maul«, brummte Askild, dessen stolze französische Nase infolge seines übertriebenen Alkoholgenusses aufgedunsen war, »was wißt ihr zwei denn schon!« Zu diesem Zeitpunkt hatte er die Enttäuschung einigermaßen verwunden und begann, seinen Enkelsohn Asger zu nennen, in den ersten fünf Jahren meines Lebens weigerte er sich allerdings, meinen Namen in den Mund zu nehmen. Statt dessen verwendete er willkürliche Bezeichnungen wie »der da«, »kleiner Glatzkopf« oder »Nummer zwei«, und wenn er besoffen war, machte er immer ein gewaltiges Theater, daß er im Gesicht des Enkelsohns seine stolze französische Nase nicht sehen könne, und so kam hin und wieder die Bezeichnung »Hurensohn« über seine Lippen. Wenn Vater diesen beleidigenden Spitznamen hörte, reagierte er immer sehr heftig. Es war eine sich ständig wiederholende Episode in unserer Familie. Großvater, der seinen erfolgreichen Sohn provozierte, und Vater, dessen entwaffnendes Lächeln immer angestrengter wurde, bis er schließlich ganz einfach explodierte. Bei Vater gab es keine Zwischenstufen, und wenn Großvater dann aus dem Zimmer verschwand, hinterließ er den gefragten Sanierungsexperten krisengeschüttelter Firmen in einem Zustand kindlicher Wut. »Jetzt ist Schluß«, fauchte er dann, »euer Großvater betritt nie wieder mein Haus.« In der Regel dauerte es allerdings nicht länger als eine Woche, bevor Großvater wieder dastand oder wir auf unserem üblichen Sonntagsspaziergang bei ihnen vorbeigingen.
Askild war also beleidigt, und Bjørk mußte all ihre Überredungskünste aufbieten, damit er an der Taufe teilnahm. Seine Tochter hingegen mußte sie nicht überreden. Am Sonntag morgen stand Anne Katrine bereits um sechs Uhr in ihren feinsten Kleidern an der Tür. Sie sollte das Kind zum Taufbecken tragen und hatte die ganze Nacht über nicht geschlafen, weil sie Gott sein durfte, wie sie ununterbrochen erzählte.
»Die Gotte «, sagte Bjørk, »die Patin, nicht Gott, das ist ein Unterschied, mein Schatz.« Allerdings war die Tochter so glücklich, daß Großmutter es nicht übers Herz brachte, ständig ihre Vorstellung zu korrigieren, daß sie an einem strahlenden Junitag 1972 einen ganzen Tag lang Gott sein durfte. Und während das Kind in einer kirchlichen Zeremonie getauft wurde, bei der seine Eltern gleichzeitig heirateten, um weiteren Unfrieden in der Familie zu vermeiden, strahlte dieser Gott wie eine einhundert Kilogramm schwere, gigantische Sonne, denn hier stand sie mit ihrem neuen kleinen Bruder, einer Miniaturausgabe des kleinen Knut, der sie diesmal nicht im Stich lassen und sich mit einem Schiff davonmachen durfte. Schon wenige Tage nach der Geburt hatte sie an die Tür unseres Hauses im Birkebladsvej geklopft und um die Erlaubnis gebettelt, mit dem Kinderwagen spazierenzugehen, und so unternahm ich meine ersten Reisen in die Welt. Den Bürgersteig hinauf und den Bürgersteig wieder hinunter, bei jedem Wetter, geschoben von einem strahlenden Fettberg. Die Trutsche (wie wir sie später taufen sollten) und der Hurensohn (wie ich bereits vor meiner Taufe tituliert worden war) wurden rasch zu einem wohlbekannten Anblick im Viertel. Sie brachte mir alles, worauf ich zeigte, Regenwürmer, Erde, Blätter, sogar Zigarettenkippen und farbenprächtige Blumen, die ich mit Wohlbehagen verzehrte. »Schmeckt gut«, sagte sie und reichte mir die merkwürdigsten Lebewesen in den Kinderwagen, »ist süß wie Honig.«
Stinne mochte sie nicht dabeihaben, und so kam es, daß ich häufiger als meine Schwester im Haus am Tunøvej zu Besuch war; beißende Terpentindämpfe kitzelten meine Nase, das Geräusch klirrenden Glases und der Spektakel eines verrückten Papageis lieferten die Hintergrundmusik meiner frühesten Kindheit, dazu Bjørks sanfte Stimme, wenn sie Lieder über eine glänzende
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