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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Ich glaube immer noch nicht, daß du sie umgebracht hast.«
    »Liebeskummer«, fügt sie hinzu und schüttelt den Kopf, bevor sie ins Bett geht, »du kannst mir viel erzählen.«

Hundsköpfe unter der Treppe
    D ie Konservendosen türmen sich an Großmutters Krankenlager, und die frische Luft aus Bergen, die ihnen entwich, hat für eine hinreißende Frische in diesem Zimmer gesorgt, in dem sie die letzten Monate gelegen hat und immer dürrer und konfuser wurde. Die frische Luft aus Bergen entfachte in ihren Augen eine Glut, wie wir sie nicht mehr gesehen haben, seit das letzte Drittel von Askilds Asche über dem Fjord verstreut wurde; mitgebracht hat sie Erinnerungen aus der alten Heimat, die Bjørk zum Erzählen animieren. So sammle ich die letzten Fäden, während ich Großmutter zuhöre und bemerke, wie sie sich immer öfter mit dem Tag vor einigen Jahren beschäftigt, an dem Askild von einer Routineuntersuchung aus dem Krankenhaus zurückkam. An diesem Tag hätte sie ihm plötzlich gern über sein weißes Haar gestreichelt – jahrzehntelang hatte sie keine Lust mehr dazu gehabt –, und doch war er erst wenige Minuten zu Hause, als sie diese Lust überkam und sich mit der Angst mischte, daß sie niemals ihre Goldene Hochzeit erleben würden. »Aber wir haben es geschafft«, sagt Großmutter mit einem zufriedenen Lächeln, »wir haben es ganz gerade noch geschafft.«
    Frische Luft aus Bergen, tja. Vermischt mit einem undefinierbaren Fischgeruch, vermutlich weil Appelkopp die Konservendosen nicht sorgfältig genug gereinigt hatte, bevor er eine Postkarte draufklebte und die famosen Worte schrieb. Er muß jetzt Mitte Sechzig sein, und Großmutter ist noch immer der Überzeugung, daß ihr ältester Sohn der großzügige Absender sei. »In unserem alten Haus«, schreibt Appelkopp, »ist alles so wie immer. Ida kämpft noch immer einen unfairen Kampf gegen das Ungeheuer in der Küche.«
    »Auf was für Streiche er damals gekommen ist«, sagt Großmutter und wirft mir ein unruhiges Lächeln zu.
    Morgen soll sie auf den Operationstisch, ihr soll etwas entfernt werden, dessen Ursache – so stelle ich es mir vor – ein Eissplitter in ihrem Herzen ist, ein kalter Wind im Behandlungszimmer von Thor, obwohl natürlich prosaischere Begriffe in meinen Gesprächen mit den verschiedenen Ärzten verwendet wurden, zu denen Großmutter mit ihrer Vorliebe für Stethoskope und weiße Kittel das größte Vertrauen hat. Ich mache mir ein wenig Sorgen, seit ich vom Umfang des Eingriffs gehört habe, mehrfach habe ich meine Bedenken geäußert, aber Großmutter ist stur, und die Ärzte scheinen sich darauf eingestellt zu haben, ihr zu geben, was sie verlangt. Also überlasse ich sie getrost ihren Händen, denn ich muß zurück ins Haus meiner Schwester; ich muß durch die Geschichte des Todes meiner dicken Tante und am anderen Ende wieder heraus.
    Poch, poch, klopfte es, und dann stand er da – Knut, der Seefahrer, der mit leichtfertigen Versprechen um sich geworfen und seiner zurückgebliebenen Schwester den Kopf verdreht hatte. Da stand er und sah beinahe aus wie eine exakte Kopie des beeindruckenden Appelkopps, der 1959 nach drei Jahren auf See heimgekehrt war. Knut war vierzehn Jahre fort gewesen, seine Tätowierungen waren nicht mehr frisch, er hatte keinen Seesack, sondern einen abgeschabten Koffer, und Vater, der ihn am Flughafen abholte, hatte bereits mehrfach mißbilligende Blicke auf sein langes Haar geworfen.
    »Teufel auch!« sagte er, als er endlich im Wohnzimmer stand. »Ich habe ganz vergessen, Geschenke zu kaufen.«
    Natürlich war es ein Schlag für die Familie, als man mitbekam, daß er von seinem Vater den leichtsinnigen Umgang mit der Flasche geerbt hatte. »Er war die gesamten drei Wochen über besoffen«, sagte Vater hinterher und schüttelte nur den Kopf.
    »Er ist und bleibt ein Taugenichts«, sagte Askild und schnaubte.
    »Aber er hat beim Begräbnis geweint«, sagte Großmutter und zog noch am gleichen Tag die Strickjacke für immer aus.
    Wie Appelkopp versuchte Knut im Wohnzimmer am Birkebladsvej sofort, seine Familienangehörigen in die Luft zu werfen, aber im Gegensatz zu seinem Vetter war Knut so betrunken, daß ihm dieser Kraftakt mißlang. Alle bis auf Askild bemerkten, daß er nach Alkohol roch und ein wenig lallte, als er sich seinem Vater zuwandte und sagte: »Fünfzehn Jahre habe ich darauf gewartet, dir den Arsch zu versohlen.«
    »Versuch’s doch«, murmelte mein ebenso betrunkener

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