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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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großen Überraschung, daß er voller häßlicher Wörter war, über die ich auf der Stelle die Kontrolle verlor; sie flossen in einem steten Strom, bis es zu spät war und mich die großen Jungen gepackt hatten, um mir den Arm auf den Rücken zu drehen und mich um Gnade bitten zu lassen. »Willst du uns provozieren?« schrien sie. »Nein, nein«, heulte ich, »Entschuldigung!«
    Sich draußen aufzuhalten, wurde bald schon zu einer risikoreichen Angelegenheit. Nachdem sie erkannt hatten, daß ich eine Art zentrale Sammelstelle für Schimpfwörter war, ein Magazin für rotzige Beleidigungen, konnte ich nie sicher sein, wann die großen Jungen sich entschlossen, einen Rachefeldzug einzuleiten, und ich konnte auch nie wissen, wann meine schwachsinnige Tante kam, um mich im Klub der Jäger lächerlich zu machen. Nur wenn ich mit Stinne zusammen war, konnte ich mich einigermaßen sicher fühlen, denn dann hielten die großen Jungen Abstand, und die Trutsche hatte inzwischen Angst vor meiner Schwester. Aber es kam immer häufiger vor, daß Stinne mich nicht dabeihaben wollte. Bisweilen blieb ich daher in der Wohnung, und hier geschah es – während Stinne mit Signe irgendwelchen Blödsinn trieb, während Mutter sich weiterbildete, Vater arbeitete und Großmutter ständig zu spät zum Bus kam –, daß ich immer öfter eine Tür aufgehen hörte, obwohl ich versucht hatte, sie abzuschließen. Ich hörte Schritte in der Waschküche, und dann kam die Trutsche herein, hungrig wie nie zuvor und ausgesprochen zufrieden mit den Umständen. Denn ich war der zukünftige Saftkellner, und sie war Gott, den eine aufgebrachte Briefvandalin fortgejagt hatte. Nun aber stellte sich die Situation mit einemmal ganz anders dar, und sie kitzelte mich, so wie sie es schon viele Male gemacht hatte, bis ich in ihren dicken Armen strampelte. Trotz meines hektischen Strampelns und meiner hoffnungslosen Fluchtversuche, die nur so lange dauerten, wie sie brauchte, um mich wieder einzufangen, will ich nicht verhehlen, daß ich mich hin und wieder mit Absicht fangen ließ. Daß ihre schwabbelige Fülle mir noch immer Furcht einflößte, ich aber eine gewisse präsexuelle Befriedigung bei unseren Ringkämpfen empfand, die sich schon bald in den Keller verlagerten, der einfach für diese Art von Spielen geeigneter war als das Tageslicht des Wohnzimmers. Wenn sie mich zwischen dem Mobiliar des Kellers verfolgte, konnte mich ein plötzliches Entsetzen erfassen, und ich lief durch den schmalen Spalt in den Raum unter der Treppe. Die dicke Tante konnte sich gerade so hindurchquetschen, und dann stand sie dort, wo während meiner gesamten Kindheit ein unsichtbarer Hundskopf gewohnt hatte.
    Drei Jahre spielte sie dieses Spiel mit mir. Drei Jahre landeten wir in dem Raum unter der Treppe, wo sie mich in eine Ecke drückte oder mich flach wie einen Pfannkuchen auf den Boden preßte, während ihre Finger die kitzligen Stellen fanden, bis wir von neugierigen Familienangehörigen unterbrochen wurden.
    »Was macht ihr eigentlich da unten?« fragte Mutter eines Tages, als sie früher aus der Schule nach Hause kam.
    »Gar nichts«, antworteten wir im Chor.
    Und ein andermal kam nicht nur Stinne, sondern auch meine rothaarige Kusine die Treppe heruntergeschlichen, um uns mitten in unseren heimlichen Ringkämpfen zu überraschen.
    »Gib es zu, Stummel«, sagte Stinne hinterher, »Tante ist in dich verliebt.«
    »Halt die Fresse!« brüllte ich.
    »Die Frage ist nur«, grinste Stinne, »ob du auch in die Tante verliebt bist.«
    »Nichts da!« schrie ich und warf einen nervösen Blick in Richtung meiner Kusine, deren leises Kichern mich irgendwo im Magen traf. »Asger und die Trutsche«, sagte sie und produzierte einen lauten Ton mit ihrer Zunge.
    Und was nun? Eine Sache war, daß Stinne mich auslachte, aber daß meine rothaarige Kusine auch noch mit schlüpfrigen Andeutungen kam, war mehr, als ich ertragen konnte, und daraufhin begann der Ekel über unser Spiel das Vergnügen bei weitem zu übertreffen. Die Scham darüber, mit der dicken Tante im Keller herumzutollen und sich mit Absicht fangen zu lassen, konkurrierte mit meiner aufkeimenden Sinnlichkeit, und ich fing an, ihr ernsthaft davonzulaufen und auf der Straße »Blöde Tomate« nachzurufen oder »Fette Kuh« und »Häßlicher Trampel«. Parallel dazu begannen mir zu dieser Zeit, beunruhigende Phantasien durch den Kopf zu gehen. Es waren seltsame Tableaus, in denen sich eine leblose Trutsche zeigte. Ich hatte

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