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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Kindererziehung zu diskutieren.
    Und während Mutter klüger und Vater reicher wurde, weckten uns nachts bisweilen die Geräusche diskutierender Stimmen. Es war nicht die Art von Streit, die wir von Großmutter und Großvater gewohnt waren. Es wurde nicht besonders laut geschrien, und wenn wir uns in den Flur schlichen, um zu lauschen, wurden wir häufig Zeugen des unangenehmen Anblicks einer Mutter, die auf dem Sofa saß – manchmal weinte sie – und eines Vaters, der ihr den Rücken zuwandte und durch die großen Fensterscheiben ins Dunkle starrte, während seine Asche auf den Boden rieselte. »Es ist der Spundpfropfen«, sagte Stinne einmal, »fast immer geht es um ihn.«
    Das stimmte. Laut Mutter hatte Vater doch sie geheiratet und nicht den Spundpfropfen mit seinen tollen Autos. Hin und wieder hätte es aber den Anschein, als ob Vater nicht mehr so genau wüßte, wer den anderen schmalen Goldring am Finger tragen würde, sagte sie und fing auch an, abfällige Bemerkungen über das Geld zu machen, das er verdiente.
    »Wir brauchen es sowieso nicht«, sagte sie leise, worauf Vater entgegnete: »Jedenfalls wird damit deine Ausbildung bezahlt.« Die Asche fiel lautlos von seiner Zigarette, und er hatte den gleichen fernen Gesichtsausdruck wie an jenem Tag, als Stinne und ich einen Karton voller rosafarbener Briefe anschleppten, die wir auf dem Boden eines alten Schrankes in der Abstellkammer am Tunøvej gefunden hatten.
    »Oma«, rief Stinne, »was ist das?«
    Es war beim üblichen Sonntagskaffee, und Askild prahlte gerade mit den neuesten Sätzen, die Kaj, der Papagei, gelernt hatte.
    »Larsen ist ’n Bauernlümmel«, knarzte Kaj. Larsen war Askilds ehemaliger Chef – er hatte ihn vor ein paar Jahren auf der Werft in Odense gefeuert, daher konnte Askild ihn nicht leiden.
    »Larsen!« fuhr Kaj fort, als wir mit dem Karton ins Wohnzimmer kamen. »Was für ein Esel!«
    Die Wühlerei in den Archiven der Familie war allerdings kein rechter Erfolg. Der Anblick des alten Pappkartons mit den rosafarbenen Briefen ließ Großmutter erbleichen. Vaters Pupillen bekamen einen abwesenden, dunklen Ausdruck, aber er sagte kein einziges Wort; tatsächlich sagte er den Rest des Tages kein Wort mehr zu Großmutter, und dies änderte sich auch in den folgenden vierzehn Tagen nicht, in denen sich der abwesende Ausdruck in seinen Augen noch verstärkte, bis er eines Morgens plötzlich verschwunden war.
    »Stinne«, sagte Großmutter mit einer unbekannten Strenge in der Stimme, »sei bitte so nett und stell den Karton wieder an seinen Platz.«
    Zu dieser Zeit wußten wir nichts von Marianne Qvist. Wir hatten natürlich von damals gehört, als Vater mit einer Binde vor den Augen auf einem Fahrrad quer durch Ålborg gefahren war, aber wir wußten nichts über den Anlaß seiner großen Nummer. »Wieso hat er das gemacht?« fragte Stinne einmal, und Großmutter hatte geantwortet: »Na, er war wohl verliebt.«
    »In wen?« wollte Stinne wissen und rollte mit den Augen; und da hatte Großmutter die ebenso klare wie dunkle Antwort hervorgezaubert: »Ins Leben.«
    »Ha«, hatte Stinne ausgerufen, »das war garantiert irgendein Mädchen, meinst du nicht?«
    Es war die Zeit, in der Großmutter immer häufiger mit ihrer Heimlichtuerei beschäftigt war, und auch Stinne war nicht viel besser. »Ich jedenfalls haue jetzt ab, du kannst ja mit der blöden Tante spielen, wenn du willst«, sagte sie und verschwand durch das Loch in der Hecke mit all den Haarbändern und Perlen, die der Spundpfropfen ihr gekauft hatte. Onkel Harry hatte damals nur einige wenige Kilometer von unserem Elternhaus einen Kaufmannsladen eröffnet, und nun war es meine rothaarige Kusine Signe, mit der Stinne ihre Zeit verbrachte. »Was macht ihr eigentlich?« wollte ich oft wissen, aber Stinne lächelte nur geheimnisvoll und rollte achselzuckend die Augen.
    Ich selbst wurde Mitglied im Klub der Jäger, der sich in der Umgebung des Moores herumtrieb. Der Klub, zu dem aus unserer Straße auch Bjørn und Mikkel gehörten, hatte drei klare Interessengebiete – erstens: alle lebenden Tiere in der Gegend um das Moor herum zu jagen und zu fangen, zweitens: einer zurückgebliebenen Tante von einhundert Kilo wegzulaufen, und drittens: den großen Jungen nachzuschreien, zum Beispiel Jimmy aus dem Birkebladsvænget, dem wir ständig hinter den sicheren Hecken des Villenweges auflauerten, um ihn mit Schimpfworten einzudecken.
    Wenn ich den Mund aufmachte, bemerkte ich zu meiner

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