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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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nicht ohne Grund sprach sie von Leuten, die wie die Zigeuner stahlen, hatte sie doch ihr gesamtes gespartes Geld zusammen mit den Fischfrikadellen in der Handtasche transportiert. Mit anderen Worten, Mutter Randi war nach Dänemark gekommen, um zu sterben, nur drückte sie es nicht so aus.
    »Ich bin zu alt, um noch zu reisen«, sagte sie bloß.
    Vielleicht fürchtete sie die Reaktion der Schwiegertochter, vielleicht war sie auch nervös, daß Askild sie nicht bleiben lassen wollte, doch niemand protestierte. Großvater und Großmutter waren dankbar, in der Stille am Tunøvej nicht allein gelassen zu werden, und Mutter Randi richtete sich rasch in dem alten Zimmer der Tante ein, hängte Familienporträts an die Wände, bestimmte einen Ehrenplatz für Vater Niels’ abgetragene Steuermannsmütze und hatte auch ein altes schwarzes Buch mitgebracht, in dem mit zierlicher Schrift sämtliche Jugendsünden Askilds niedergeschrieben waren: Fluchte bei Tisch. Ging an Mutters Taschen. Hat sich geprügelt …
    Und als die Routine wieder Einzug gehalten und die Geschworenen ausreichend lange beraten hatten, als jeder Beweis von allen Seiten betrachtet worden war – unterstützt von den besorgten Äußerungen des Schullehrers, mäßig unterstützt auch von den Klagen der Nachbarn über diesen Lümmel, der auf der Straße häufig Gott und die Welt beleidigte –, wurde der Angeklagte wieder von seinen Eltern ins Wohnzimmer gerufen, und ihm wurde sanft übers Haar gestrichen; das allerdings war nur der äußere Schein, denn ich war dort ganz allein auf mich gestellt und erwartete mein Urteil: Es wird für Recht erkannt und der Mörder, wie wir ihn jetzt ruhig nennen dürfen, auf unbestimmte Zeit des Landes verwiesen …

Das Zeitalter der Freier
    S tinne hat sich erhoben und geht jetzt im Gästezimmer auf und ab, wobei sie verwirrt den Kopf schüttelt. Die Kinder hat sie ins Bett gebracht, Jesper macht Überstunden, und unten aus der Küche hören wir gedämpft Kajs Geplapper, das wesentlich leiser geworden ist, nachdem sie ein Tuch über seinen Bauer gelegt hat. »Das ist doch einfach alles gelogen!« sagt sie immer wieder, schockiert, aber auch überrascht, daß eine der größten Skandalgeschichten der Familie vollkommen an ihr vorbeigegangen ist: »Du hast Anne Katrine eingesperrt? Du hast sie geschlagen, als sie versuchte herauszukommen?«
    Es gibt keinen Grund, mich zu wiederholen. Ich gucke auf meine Hände, die voller Farbspritzer sind. Viele Jahre habe ich mir vorgestellt, wie der Hundskopf auf der Leinwand aussehen sollte, aber jetzt, wo er mit seiner häßlichen Schnauze auf mich herabstarrt, weiß ich nicht, ob ich ihn richtig getroffen habe. Was ich sehe, gefällt mir nicht. Er ist nicht sonderlich schön, aber er ist auch nicht häßlich auf die fiese Weise …
    »Sie hat es wirklich getan«, stellt Stinne schließlich fest und setzt sich auf einen Stuhl. »Sie hat dich befummelt.«
    Die Bilder um mich herum sprechen ihre deutliche Sprache, aber ich glaube, es ist das Mischungsverhältnis zwischen Lust und Abscheu, das mich verwirrt. Als ich den Hundskopf in dem Raum unter der Treppe sah, habe ich nicht das Gespenst gesehen, mit dem Stinne mich einst erschreckt hatte. Ich erblickte eine Ausgeburt meiner Phantasie, der die dicke Tante Fleisch und Blut gegeben hatte.
    »Aber der Landesverweis«, fragt Stinne, »war das so schlimm? Hattest du nicht einen guten Sommer dort oben …?«
    Drei Tage nach meinem Landesverweis stakste ich vorsichtig die Treppen des großen Schiffes hinunter. Vater hatte mich zur Fähre gefahren, und ich hatte einen knallroten Pullover an, durch den Fremde mich identifizieren konnten – zum Beispiel der zwei Meter große Riese, der plötzlich nach meinen Armen griff, als ich von der Gangway trat. Sein Bart war grau gesprenkelt, seine Augen lächelten, und bevor ich von seinen starken Armen in die Luft geworfen wurde, fiel mein Blick auf einen Anstecker an seiner Hemdtasche mit dem Aufdruck Bjørkvigs Gummiband, einzigartig hierzuland . Es war niemand geringerer als Appelkopp, der mich an der Fährstation abholte und mich zu dem kubistischen Haus mitnahm, das auf der anderen Seite des inzwischen sanierten Rhabarberviertels lag. »Das Haus hat dein Großvater gebaut«, sagte er. »Wirst hier schon deinen Spaß haben.«
    Die offizielle Version lautete folgendermaßen: Der kleine Asger Eriksson war über den Tod seiner dicken Tante so betrübt, daß er eine Luftveränderung brauchte, damit

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