Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
Vom Netzwerk:
nur sinnlos mit dem Papagei Kaj durch die Gegend, der in meiner Abwesenheit gelernt hatte, »Hansen ist ein Schwein!« zu sagen. Hansen war Askilds letzter Chef – er hatte Großvater kurz vor meiner Heimkehr in sein Büro gerufen und ihm zum letzten Mal in dieser Geschichte mangelnden Realitätssinn vorgeworfen. Nun stand die Rente an. Mutter sagte, es wäre passiert, weil Askild seit dem Tod der Tante nur noch bis zur Besinnungslosigkeit betrunken war. Inzwischen hatte ich einiges auf meinem elfjährigen Gewissen. Jedesmal, wenn ich ihn durchs Viertel schwanken sah, grauste es mich leise vor mir, und ich schwor, mich bessern zu wollen, dabei gab es Dinge, auf die ich keinerlei Einfluß hatte.
    Zu dieser Zeit und in den folgenden fünf Jahren ließen uns die Freier nicht in Ruhe, sie belagerten das Haus in allen möglichen und unmöglichen Erscheinungen. Es gab dicke Freier und dünne Freier. Es gab die schüchternen Freier, die smarten und die schwachsinnigen Freier. Mir gab es einen gewissen Status im Klub der Jäger, daß meine Schwester, wie Bjørn es ausdrückte, im Laufe des Sommers zur begehrtesten Braut der ganzen Stadt geworden war, und ich ihnen nun einen Platz in der ersten Reihe anbieten konnte – das heißt, auf dem Dach über Stinnes Fenster, von wo aus wir Wasser über die Köpfe der zahllosen jungen Männer kippen konnten, die mit ihren Blumen und Briefen mit schwachsinnigen Sätzen dastanden und rot wurden.
    »Hör auf, mich so anzustarren«, sagte Stinne, als sie mich gemeinsam mit Vater und Mutter an der Fähre abholte. »Ich weiß selbst, daß ich jetzt Titten habe.«
    Vor allem wegen ihrer sogenannten Titten wollte Mutter nicht mehr, daß ich noch in Stinnes Bett schlief. Sie war knapp zwei Jahre älter als ich, kam mir aber plötzlich sehr erwachsen vor; ich wär ja noch ein Säugling, sagte meine Schwester, wenn ich nachts aufwachte und mich im Kopf ganz leer vor Angst fühlte. Was hatte ich getan? Wie hatte ich es tun können? Meiner Schwester erzählte ich nie den genauen Inhalt dieser Träume, aber sie begann sehr schnell, sie die Hundskopfträume zu nennen. Damals hatte sie vollkommen vergessen, wer mir die Vorstellung vom Hundskopf ursprünglich eingepflanzt hatte, doch immerhin durfte ich noch immer in ihrem Bett schlafen, obwohl ich oft in mein eigenes schlich, bevor Mutter uns morgens weckte.
    Gleichzeitig mehrten sich die Geschichten über Großmutter, die in der Stadt herumschlich. Ein halbes Jahr nach meiner Rückkehr nahm Großmutter mich zu einer unserer immer häufigeren Stadttouren mit. Sie ging gern in Cafés und benahm sich wie eine vornehme Dame, zog dann ihre besten Sachen an und landete mit Vorliebe im Café des Magasin , wo sie Kaffee trank und Hefegebäck aß, während ich eine heiße Schokolade bekam. Aber an diesem Nachmittag zerrte sie mich am Magasin vorbei, ging eine schmale Seitenstraße hinunter und blieb vor einem finster aussehenden Kellerlokal mit Jalousien vor den Fenstern stehen. »Hiervon brauchst du niemanden etwas zu erzählen«, sagte sie, »das ist unser kleines Geheimnis, nicht wahr?«
    »Ja«, erwiderte ich und betrat einen Augenblick später Bjørks heimliche Welt, in der in vier Reihen jeweils sieben einarmige Banditen mit ihren bunten Lämpchen blinkten. In der entlegensten Ecke des Raumes gab es ein paar Flipperkästen, und ganz oben an der Kasse, wo ein dicker Mann Geld wechselte und Kaffee verkaufte, stand die elektrische Pokermaschine, in den letzten Jahren der unbekannte Gegenstand von Großmutters heimlicher Passion. Ich kann nicht verhehlen, daß ich eine Spur enttäuscht war, als mir klarwurde, daß all ihre Lügen nur dazu dienten, ihre Mitgliedschaft in einem Spielklub zu verheimlichen. Sie wechselte fünfzig Kronen in Kleingeld, bestach mich mit einer roten Brause und einer Handvoll Münzen, die sofort dem Flipper spendiert wurden, und setzte sich hin, um Poker mit der Maschine zu spielen, bis die fünfzig Kronen verbraucht waren, die sie für jeden Besuch veranschlagte. So eingeweiht in ihre heimliche Leidenschaft, rannte ich nach Hause, um Großmutters Geheimnis zu enthüllen.
    »Sie ist Mitglied in einem Spielklub«, erzählte ich Stinne, die ebenfalls ein wenig enttäuscht war. Möglicherweise war sie aber auch deshalb so enttäuscht, weil Großmutter, nachdem ich ein paarmal mitgehen durfte, sie nie mitnahm, aber andererseits war sie ja mit ihren Freiern beschäftigt. Häufig saßen gleich mehrere in ihrem Zimmer. Auch Signe war

Weitere Kostenlose Bücher