Hundsköpfe - Roman
Hund, der sich in seinem Knöchel verbiß, oder die Schläge, die er mit den Gewehrkolben bekam, als sie ihn über die gefrorenen Erdklumpen der Ebene bis auf einen kleinen Höhenzug trieben, auf dem zwei Männer warteten. Der eine hockte im Rauhreif auf den Knien, wie Askild verprügelt und zitternd vor Kälte; der andere, ein weiterer unbekannter Soldat, stand da und hielt ihm das Gewehr an die Stirn. Askild fühlte sich wie gelähmt, als er den Mann auf den Knien erkannte: Herman. Er hatte die ganze Zeit geglaubt, Herman hätte sich in Sicherheit bringen können. Daß er entkommen wäre, als sich die Bluthunde für Askilds Spur entschieden.
»Wollen mal sehen, wer von euch beiden den größten Überlebensinstinkt hat«, schlug Meyer vor, »ein schneller, kleiner Zweikampf – oder sollen wir euch beide erschießen?« Es ist eine düstere Geschichte, die Askild nie in ihrer vollen Länge erzählt hat, obwohl er immer wieder darauf zurückkam, wenn er betrunken war. Ich stelle mir vor, daß noch ein donnerndes NEIN in Askilds Bauch keimte. Meyers blanke Pistole glänzte im morgendlichen Dunkel, und zwei Paar Augen starrten sich an: Herman Hemning, der den einen Weg genommen hatte, und Askild, der den anderen gelaufen war, als sie sich ein Stück weit vom Lager entfernt hatten, aus dem sie gemeinsam geflüchtet waren. »Hals- und Beinbruch, Kamerad«, waren die letzten Worte, die sie zueinander gesagt hatten, und nun trafen sie sich wieder, verprügelt und zitternd vor Kälte, beide bereit, in Herrn Meyers absurdem Theater ihr Leben zu retten. »Fangt endlich an!« brüllte Meyer. »Los, ihr Schweinehunde!« befahl einer der Soldaten, der wenigstens ein bißchen auf seine Kosten kommen wollte, nachdem er die ganze Nacht hart gearbeitet hatte. Askild und Herman auf einer Ebene in Ostdeutschland. Einen kurzen Moment schätzten sie den unerwarteten Gegner ab, und Askild überlegte, SS -Rottenführer Meyer sein donnerndes NEIN an den Kopf zu brüllen, aber er besann sich und konzentrierte sein NEIN statt dessen auf seinen ehemaligen Bettkameraden aus der Baracke 24, Herman Hemning, der ihn in kalten Nächten gewärmt und mit schmutzigen Witzen und Räuberpistolen aus seiner Kindheit in einem Osloer Arbeiterviertel aufgeheitert hatte; unfähig vor Entsetzen stand er dort und weigerte sich ganz einfach, Askild anzugreifen, zum Sterben bereit, »nein«, flüsterte er, »nein …«. Dann knallten Pistolensalven über ihren Köpfen, Herman trat einen Schritt vor und schlug nach Askild, der längst zum Kampf bereit war. Askild wich dem Schlag aus, versetzte Herman einen entscheidenden Stoß in die Leber und warf sich auf ihn wie ein tollwütiger Köter …
Immer wieder erwachte er an dieser Stelle. Mitten im Wahnsinn. Er war auf der Flucht vor den Bluthunden, und nun war er selbst zu einem tollwütigen Hund geworden.
Bereits einen Tag nach seiner Ankunft in Ramlösa schlug die Krankenschwester vor, einen Brief nach Hause zu schreiben, und Askild nahm abwesend Papier und Stift entgegen, ohne richtig zu wissen, was er Bjørk, Mutter Randi und Vater Niels schreiben sollte.
Als er der Krankenschwester später den Brief gab, richtete der sich auch nicht an seine Familie in Norwegen, sondern an Speckbackes Mutter in Oldenburg. Er bat die Krankenschwester, ihn sofort abzuschicken, doch die guckte Askild nur mißtrauisch an. »Bist du nicht aus Bergen?« fragte sie. »Weshalb hast du eigentlich gesessen?«
»Wegen nichts«, flüsterte Askild, »aber die Mutter des Schwulenarschs soll Bescheid wissen.«
»Des Schwulenarschs?« fragte die Krankenschwester.
»Ja«, seufzte er.
In der darauffolgenden Woche hatte Askild noch einen Brief geschrieben, diesmal an Herman Hemnings Frau in Oslo, aber ebenso wie der Brief nach Oldenburg wurde auch dieser Brief niemals abgeschickt.
Dann kam die Befreiung, König Haakon VII . und seine Regierung kamen aus dem englischen Exil zurück, zu Hause in Bergen hatten sie indes noch immer nichts von Askild gehört, nicht ein einziges Lebenszeichen, obwohl Vater Niels den Behörden die Türen einrannte und Bjørk Briefe an Gott und die Welt geschrieben hatte. »Wahrscheinlich ist er irgendwo da unten gestorben«, meinte Thor, der Arzt, und Bjørk bat ihn, so etwas nicht zu sagen.
»Kommt er jemals wieder nach Hause?« fragte Askilds kleiner Neffe seine Großmutter, und Randi antwortete, daß Gott allein es wisse. »Stimmt es, daß er Zimmermann ist?« fragte Appelkopp weiter. Seinen Vater
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