Hundsköpfe - Roman
Schmerz, und eine befreiende Leichtigkeit ergriff seinen Körper und segelte mit ihm in die Dunkelheit.
Nach einer Woche hatten die anonymen Fragesteller genug von diesem Kriminellen und schickten ihn mit einem Gefangenentransport nach Oslo. Es lief nicht gerade so, wie Thorsten sich das vorgestellt hatte, und doch bekam er seinen Willen. Askild fuhr nach Oslo, und in der Patriziervilla am Kalfarvei begann bald wieder das alltägliche Leben, Abendessen im Schoße der Familie, Kartenspiel am Abend. Eine zauberhafte Ruhe war Thorstens Meinung nach im Hause eingekehrt, bis diese Ruhe von einem alarmierenden Klopfen unterbrochen wurde, das ihn auffahren ließ.
»Melde Herrn Reeder Svensson!« brüllte ein sechzehnjähriger Bursche, der den ganzen Weg vom Hafenkontor hochgerannt war. »Die Jens Juul ist westlich von Land’s End havariert!«
»Noch eins?« schrie Thorsten, worauf er zu seiner Jacke griff und mit dem bitteren Kommentar hinunter ins Büro stürzte, daß die Welt wahnsinnig geworden sei. Und während mein Urgroßvater durch Bergen rannte, um sich detaillierte Informationen über den neuesten Schlag gegen das Familienimperium zu schaffen, saß mein Großvater im Gefängnis von Oslo und starrte gegen die Wand. Die Prügel hatten aufgehört. Die blauen Flecken wurden gelb und verschwanden. Unter normalen Umständen hätte er eine gewisse Anzahl von Jahren abzusitzen gehabt, aber da ohnehin bald ein größerer Gefangenentransport nach Deutschland geplant war, konnte man Askild Eriksson genausogut mitschicken.
»Du bekommst nicht eine Krone«, erklärte Thorsten, als Bjørk eines Nachmittags erzählte, daß sie die Erlaubnis bekommen hätte, Askild zu besuchen. Einen Tag später fuhr sie dennoch nach Oslo, quartierte sich in einer Pension ein und machte die ganze Nacht kein Auge zu. Sie hatte die Erlaubnis, ihn am Nachmittag um halb drei für eine halbe Stunde zu besuchen, doch bereits um neun Uhr wanderte sie unruhig durch Oslos Straßen; um elf begann sie einzukaufen, sie kaufte Hering, Brot und Tabak und packte alles mit einem Brief von Randi und einem kleinen Gruß von ihr in eine warme Decke. Als es eins schlug, beschloß sie, rasch noch ein neues Kleid zu kaufen. Sie ging in ein halbes Dutzend Geschäfte, und als sie endlich in ihrem neuen Kleid auf der Straße stand, war es schon später, als sie gedacht hatte. Sie lief die Karl Johan hinunter, und an der Ecke der Akers Gate rannte sie plötzlich los, wieder von einer furchtbaren Ahnung erfüllt, die nur noch größer wurde, als sie merkte, daß sie sich verlaufen hatte. Sie mußte einige Passanten nach dem Weg fragen, bis sie sich endlich – zehn Minuten vor drei – im Gefängnis beim Wachhabenden meldete.
»Ich möchte Askild Eriksson besuchen«, schnaufte sie und stellte das Päckchen vor sich auf das schmale Brett. Der Wachhabende blieb eine Minute in irgendwelche Papiere vertieft, bis er Bjørk eines Blickes würdigte.
»Tja, mal sehen«, antwortete er schließlich und sah in eine Mappe, bevor er erneut den Kopf hob und sagte: »Askild Eriksson … nee, kleines Fräulein, das geht bestimmt nicht, der ist auf dem Weg nach Deutschland.«
»Was?« stöhnte Bjørk.
Der Wachhabende wandte sich wieder seinem Papierkram zu, und Bjørk blieb wie versteinert stehen, während der Lärm von rangierenden, schlingernden Zügen und Waggons sich mit dem Geräusch ihres klopfenden Herzens mischte. Kurz darauf klatschte er freundlich in die Hände und erklärte, daß es in Deutschland einige ausgezeichnete Orte gäbe, an denen Leute, die auf Abwege gekommen wären, schon wieder zur Raison gebracht würden.
Als Bjørk am nächsten Tag nach Bergen zurückkam, hatte es in der Patriziervilla am Kalfarvei erneut einen Besuch gegeben. »Melde Reeder Svensson!« rief ein sechzehnjähriger Bursche mit Schweiß auf der Stirn.
Später am Abend, als Vater Thorsten in seinem Arbeitszimmer saß und fluchte, schlich sich Bjørk zur Witwe Knutsson, trank im Wohnzimmer Tee mit ihr und bat sie hinterher, einen Moment in Askilds altem Zimmer allein sein zu dürfen. Diese Matratze hier , hatte Askild zwei Wochen bevor er verhaftet wurde, gesagt, wird uns all unsere Probleme vergessen lassen . Ein flüchtiges Lächeln glitt über Großmutters Lippen. Dann zog sie eine große Schere aus der Tasche und schnitt die Matratze auf.
»Asger!« rief meine große Schwester, als sie mich am nächsten Morgen weckte. »Du hast auch deinen Teil der Verantwortung zu übernehmen, kannst
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