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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Terrassentür hinaus, um sich auf die Bank zu legen.
    Münzen hatte es geregnet, das Gold hatte den Weg auf den Boden der Kiste gefunden, doch davon war nicht die Rede gewesen. Mit anderen Worten, Raffzahn war ein hoffnungsloser Prophet, und er hatte auch nicht vorhergesagt, daß es zu einer Kurzschlußreaktion kommen würde und sich in einem dreizehnjährigen Körper eine Wut, so gewalttätig wie Sprengstoff, entladen mußte. Kurz darauf stand Segelohr in der Diele, wo zwischen diversen Malutensilien noch immer die Dynamitstangen herumlagen. Abgesehen vom Dynamit im Wohnzimmer, packte Segelohr alles zusammen, griff sich eine Streichholzschachtel und ging hinüber zum Plumpsklo der Nachbarn, das schon immer ein Dorn in den Augen Großvaters gewesen war.
    »Endlich hat man sein eigenes Haus«, pflegte Askild zu sagen, »und dann plazieren die Nachbarn ihr Klo direkt neben der eigenen Terrasse.«
    Dir soll das Scheißhaus um die Ohren fliegen , du kannst deine eigene Scheiße schmecken, jawohl , dachte Segelohr und dachte doch wieder nicht, denn die Fetzen eines gerissenen Filmes, der sich im Kopf meines dreizehnjährigen Vaters im Leerlauf drehte, kann man nicht unbedingt als Gedanken bezeichnen.
    Gold wurde versprochen, und Gold wurde wieder genommen.
    Am Ende des Regenbogens war ein Krug aufgetaucht, und nun war der Krug für fünfzehn Kronen in einem Wirtshaus verkauft.
    Im Lokus der Nachbarn – nicht weit von der Bank, auf der Askild lag und in die Luft starrte – fummelten zwei dreizehnjährige Hände mit einer Schachtel Streichhölzer herum, zwei Hände öffneten den Deckel, ließen die Dynamitstangen hinunter und klappten den Deckel wieder zu.
    Großvater hörte zuerst das Geräusch hastiger Schritte. Dann hörte er einige Minuten gar nichts mehr, und es brauchte eine gewisse Zeit, bis er begriff, daß er Zeuge einer enormen Explosion geworden war. Unten im Rhabarberviertel hörte man den Knall sofort, aber in Großvaters Bewußtsein verschwand das Geräusch, denn Zerrbilder tauchten auf und ließen ihn glauben, er wäre in den Latrinengraben an der Ruhrbaracke von Buchenwald gestürzt. Denn ja: Scheiße fiel vom Himmel, Scheiße strömte herab und floß über seinen Körper. In Scheiße wurde der Sohn geboren, und mit Scheiße antwortete er seinem Vater. Durch den klebrigen Wasserspiegel, zurückversetzt in die alptraumartigen Winter von Buchenwald, erhob sich Askild. Doch nun fingen unzählige Papierfetzen an, vom Himmel zu regnen, und jeder hatte seine eigene kleine Bedeutung: Im Wartezimmer des Arztes, Dokor X war schon immer ein Freund der Familie gewesen  – herausgerissene Schnipsel der explodierenden Arztromane, die Segelohr in den Garten getragen hatte, schneiten über Großvater: Seine respekteinflößende Stimme ließ sie dahinschmelzen … sein fester Blick verzauberte ihr Herz … Ich war meinem Mann untreu, aber hat es verdient, das Biest …
    Erst nach einigen Minuten wurde Askild klar, daß er nicht im deutschen Winter Anno 1945 war. Vielmehr stand er im Jahre des Herrn 1959 auf der Terrasse seines kubistischen Hauses, über und über mit den Fäkalien der Nachbarfamilie und den bedauerlichen Resten der rund zweihundert Arztromane seiner Ehefrau, die um ihn herumflogen, beschmiert. »Zum Teufel!« brüllte Großvater und tat etwas, was er niemals zu tun geschworen hatte. Er warf einen rasenden Blick auf den Sohn, der seinen Vater von der gegenüberliegenden Seite des Gartens entsetzt anstarrte, rannte ins Haus, öffnete den Kleiderschrank und holte seinen solidesten Gürtel hervor. Dann ließ er Stock Stock sein und rannte seinem Sohn ins Rhabarberviertel nach. Segelohrs zahlreiche Läufe durch das Quartier, sein Instinkt, Abkürzungen zu finden oder unbemerkt in verborgenen Gassen zu verschwinden, halfen ihm nicht – vor dem Laden von Kaufmann Ejegaard rutschte er im Kies aus. Und hier – vor fünfzehn, zwanzig staunenden Passanten, darunter einigen Rhabarberburschen, die trotz allem hinterher ziemlich erschüttert waren – verabreichte er seinem Sohn so viele Schläge mit dem Gürtel, daß Segelohr schließlich in den Armen seines mit Fäkalien begossenen Vaters ohnmächtig wurde. Erst mit dem reglosen Körper im Arm kam Askild der Gedanke an seinen alten Vorsatz, niemals den Gürtel gegen eines seiner Kinder zu erheben. Ein undeutlicher Laut entfuhr seinen Lippen, dann trug er den Sohn nach Hause, legte ihn aufs Sofa und ging ins Bad.
    Als Bjørk trotz des Verbots ihres

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