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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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wohin zu befördern. Ein gewaltiger Anblick! Das Foto eines dieser von Fanatikern gefällten Riesen hatte Sowtschick zu Tränen gerührt.

    Zu seinen Füßen lag sein Haus. Behaglich und charaktervoll sah es aus. Seine Romane waren es, die ihm den Bau ermöglicht hatten, und hier, wo diese Bank stand, würde ein Mausoleum zu errichten sein, ein sechseckiges, von wilden Rosen umrankt, mit den sterblichen Überresten des Dichters, also seinen, und mit Bronzereliefs, auf denen die Stationen seines Lebens aufgezeichnet wären: den noch jungen und den schließlich alten Eltern, der intakten und der dann brennenden Heimatstadt, dem eisigen Sibirien, in dem er zwei Jahre hatte zubringen müssen und der Sonne der Freiheit über seinem Haus, Marianne mit den Kindern und die Hunde allesamt: fünf bronzene Reliefs. Und in der Mitte des Mausoleums, auf einem Piedestal sein Bildnis, das man hoffentlich nicht köpfte eines Tages. Vielleicht, das dachte er jetzt, könnte er das Mausoleum mit einem Türmchen krönen, mit einer Glocke, die zu den Glöckchen des Hauses einen gewichtigen Kontrast abgeben würde. Zuvor war aber noch viel zu tun übrig, der Winterroman, zum Beispiel, der auf seinem Schreibtisch lag, der mußte noch geschrieben werden.

    Eigentlich hätte Sowtschick nun ins Haus gehen müssen und mit der Arbeit beginnen. Er zögerte noch. Er sah sich noch einmal sein Haus an, und dabei dachte er, wie es gewesen war im Krieg, wenn mit der 2,2-cm-Kanone Häuser in Brand geschossen wurden damals, nun schon so lange her.

    Während er da auf der Bank saß, machten sich die Hunde in den Karnickelterritorien zu schaffen. Sie versuchten in die Katakomben einzudringen. Da unten sitzen sie nun und beten, dachte Sowtschick. Er stellte sich eine Karnickelkrypta vor mit flackerndem Kerzenschein und einem greisen Karnickelpatriarchen, an dessen Brust sich die verschreckte Gemeinde birgt, dem Knurren lauschend, das von draußen zu ihnen dringt.

    Die Hunde versuchten es mal von dieser, mal von jener Seite – vergeblich! Wie immer. Schließlich ließen sie ab von ihrer Wühlerei und lagerten sich hechelnd um den weißgekleideten Sowtschick, während sich in den Katakomben der Krampf löste: Vielleicht nutzte der Patriarch den Schrecken, sein Volk zu weiterem Ausbau des Höhlensystems anzustacheln: Man kann nie genug Röhren haben, wie schon die Väter sagten. Wenn allerdings das Frettchen kommt, ist alles vergebens.

    Plötzlich hatte Sowtschick das Gefühl: Jetzt geht das Telefon! Also doch von Dornhagen, dieser prachtvolle Mensch! Natürlich von Dornhagen! Hat gespürt, daß er gebraucht wird, und meldet sich.

    Sowtschick sprang, von den Hunden wild verfolgt, federnd ins Haus. Die beiden Schafe hielten im Kauen inne, und auch Bianca verhoffte. Im Haus jedoch war alles still. Das Telefon sah unschuldig aus, und die Hunde guckten ihren Herrn fragend an.

    Das kann doch nicht sein? dachte Sowtschick, sollte ich mich so getäuscht haben?

    Er wählte die Nummer seines Freundes – nichts regte sich. Auch andere Telefonate waren vergebens: Carola nahm nicht ab, und der Verlag hatte Büroschluß, wie ein Tonband vermeldete. Hinze in Mölln und Kargus in Sankt Peter-Ording – nichts. Selbst willkürlich gewählte Nummern brachten kein Ergebnis.

    Sowtschick hatte das Gefühl, daß niemand in der ganzen Welt zu Hause ist.

    Aus! dachte er. Es ist alles aus! Alles weicht vor mir zurück.

    Während die Karnickel die eingestürzten Ausgänge ihrer Burg freischaufelten – noch einmal davongekommen –, die Schafe weiterfraßen und die Kühe verdauten, verfluchte Sowtschick seine Freunde der Reihe nach. Und wenn es nicht so heiß gewesen wäre, hätte er wohl auch Teile seiner Einrichtung zerstört: Eine Tasse des Siebenhundertachtzig-Mark-Geschirrs hatte er schon in der Hand.

    Wieso meldet sich jetzt keiner meiner Leser, fragte er sich schließlich, all diese Leute, die immer so begeistert tun?

    D ie Standuhr drüben in der Halle schlug fünf mit hellem Schlag. Wenn er sich jetzt nicht sofort an die Arbeit setzte, war der Tag nicht mehr zu retten.

    Er stellte die kostbare Tasse, die er eben noch an die Wand hatte schmettern wollen, auf den Tisch zurück und setzte sich an den Schreibtisch. Ohne einen Blick auf die Wiesen zu werfen, die sich vor seinem Fenster, durch Zaunpfähle markiert, leicht ansteigend ausbreiteten, nahm er ein duftendes Bündel frisch gespitzter Bleistifte aus der Schublade und konzentrierte sich auf den neuen Roman,

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