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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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er, und er überlegte, womit er sie sonst noch erfreuen könnte.

    Vor ihm auf dem Schreibtisch stand neben Wiener Bronzen, Hahn und Hennen, ein Foto seiner Frau, Blumen pflükkend war sie darauf zu sehen, den Arm voll Rosen, das Haar im Wind. Daneben ein Foto seines Sohnes Michael und eines von Susi. «Um die brauchen wir uns keine Sorgen zu machen», sagten die Eheleute, woran zu erkennen war, daß sie es eben doch taten.

    Nachdem Sowtschick zwei Stunden lang «die Bilder seiner Vorstellung ins Wort erlöst hatte», wie er gern den Vorgang des Schreibens definierte, also Balken über den Morast vorgeschoben hatte, ermüdete er plötzlich. Es war, als wiche alles zurück: Das war das Zeichen, sofort aufzuhören. Hier ließe sich nichts mehr erzwingen. Sowtschick legte den Bleistift hin, zählte die Blätter und stieß sie auf. Sechs Seiten hatte er beschrieben, die würden der stagnierenden, wenn nicht gar rückläufigen Kultur Europas einen deutlichen Ruck nach vorn verpassen. Vorausgesetzt allerdings, ihm gelänge es, seine Katastrophenthemen einzuarbeiten, deren einzelne Posten er auf dem Zettel einstweilen mit Ausrufungszeichen und Unterstreichungen versah, das Brüchige, Doppelbödige, Aufrüttelnde: Wie schwefliger Ruß müßte es auf den Schnee herniederrieseln.

    In diesem Augenblick schlug die Uhr sieben, Zeit für Sowtschick, ein Bad zu nehmen, und das war einfach: Sein «Besitztum», wie das Haus auch schon genannt worden war, schloß nämlich ein Schwimmbad ein, genauer gesagt, einen Schwimmgang. Sowtschick hatte dem Architekten vorgerechnet, daß ein gewöhnliches Schwimmbassin mehr Wasser enthalte als fürs Schwimmen nötig. Er hatte einen wassergefüllten Gang vorgeschlagen, zwei Meter breit, einsachtzig tief, in welchem er, statt dauernd umkehren zu müssen, jeweils zwanzig Meter geradeaus schwimmen konnte. Diese Erfindung, die etliche Kubikmeter Wasser sparte, hatte er gegen den Architekten durchgesetzt – «so was geht nicht» –, sie war denn auch in der Zeitschrift «Form» entsprechend herausgestellt worden.

    In ruhigen Zügen schwamm Sowtschick den kleinen Fluß hinauf und hinunter, an Blattpflanzen und Teilen von antiken Skulpturen vorüber, dem Körper gebend, was des Körpers ist, wo er doch für seinen und anderer Leute Geist schon gesorgt hatte. Mit jedem Schwimmzug steigerte sich seine Befriedigung: 21 Seiten Prosa lagen nun schon vor. Wie gut, daß er sich nicht in Frankreich aufhielt, einem Land, in dem die Polizisten komische Mützen aufhaben, und daß er nicht in einem Ferienbungalow hausen mußte, dessen Besitzer auf seine Kosten in Paris wohnt und sich hämisch die Hände reibt über das schöne Geld, das er den dummen Boches aus der Tasche zieht.

    Während er aufrecht hin-und herschwamm, das Zählen dabei vermeidend, lächelte er über den Vorschlag des Architekten, in den Schwimmgang eine Gegenstromanlage zu installieren. «Bin ich ein Hamster in einem Tretrad?» hatte er den Architekten gefragt. Ein anderes wäre es, den Gang noch zu verlängern, ins Freie hinaus. Die Schwimmhalle durch eine Art Affenklappe verlassen und ins Land hineinschwimmen, immer weiter und weiter, bis man sich im Schein der Abendsonne verliert… Er hatte auch schon daran gedacht, Fische in das Wasser zu setzen, Karpfen, die ihn erwarten würden, wenn er an das Becken tritt. Fröhlich würden sie ihn begleiten, mal vor und mal zurück, und traurig würden sie sein, wenn er sie verließe.

    Plötzlich klingelte das Telefon, einmal, zweimal, dreimal. Die Welt hatte sich besonnen, sie erinnerte sich an ihn! Sowtschick wußte, er würde es nicht schaffen, aber versuchen mußte er es trotzdem: Er stemmte sich aus dem Wasser und rannte triefend an den Apparat, und in der Tat, es war wieder einmal «aufgelegt», und das Rätselraten blieb, wer das denn nun gewesen sei. Vermutlich Marianne. Jetzt um halb acht! Das hätte sie sich doch denken können, daß er badete … Es würde der Tag kommen, an dem er sich bei einem solchen Manöver die Beine brechen würde, das war Sowtschick klar, und wüst schimpfte er auf den Architekten, der ihm einen Telefonanschluß im Bad ausgeredet hatte. Einmal müsse der Mensch ja auch entspannen, hatte er gesagt. Das Gegenteil war nun der Fall.

    S owtschick ging in die Küche und machte sich das Abendessen. Es bestand aus sommerlichen Butterbroten, Tomaten und Gurken, drei in Scheibchen geschnittenen Radieschen, Schwarzbrot mit krossem Griebenschmalz und einer auf dem Brot

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