Hundstage
jetzt vorbeiginge. «Was denken Sie sich eigentlich …», hörte er ihn sagen, «wie kommen Sie eigentlich dazu, hier auf meinen Hochsitz zu klettern?»
Die Hunde legten sich in den Schatten und jappten.
Da oben wehte ein frischer Wind. Eigentlich gemein so ein Anstand, früher die Neandertaler, die seien dem Wild noch mit der bloßen Faust entgegengetreten! Darüber sprachen sie. Aber deshalb seien sie vermutlich auch ausgestorben …
Und Adelheid erzählte von ihrem Lieblingsschlosser, daß der so gern in die Disko geht und sie bereits gefragt hat, ob sie mal mitkommt. Aber sie habe eigentlich keine Lust. Sie sei auch schon ein bißchen aus dem Alter raus. Ohne Gabi gehe sie jedenfalls nicht.
Sowtschick stand auf dem Anstand wie ein Kapitän auf der Kommandobrücke. Er blähte die Nasenflügel, um etwas von dem ätherischen Aroma des Forstes mitzukriegen und von der speziellen seifigen Frische des jungen Körpers neben sich. Daß der Wind ihren Rock an seine Waden schlug, war eine elektrisierende Sensation.
Sowtschick wollte gerade wieder davon anfangen, wie schlimm es ist, daß Natur und Geist so auseinanderklaffen, da standen die Hunde plötzlich auf. Es war kein Reh, das sie auffahren ließ, es war mehr so, als bekämen sie Angst. Sie winselten und verdrückten sich. Budweis, der Jäger? Nein. Aus dem Dickicht brach ein großer, schwerer Mann hervor in Trainingsanzug mit verdrehten Augen, Zweige und Geäst beiseite schaufelnd. Der hirngeschädigte Sohn des Schulmeisters war es! Mitten auf dem Weg blieb er stehen, direkt unter dem Anstand, er schnubberte, wußte wohl nicht weiter. Dann quetschte er sonderbar brummelnde, quietschende Laute aus seiner Kehle und schnaufte. Offenbar hatte er sich befreien können aus seiner Gruft, war aus dem Haus entwichen, an diesem schönen Tag, und in den Wald gerannt. Vermutlich suchte man ihn schon überall.
Sowtschick duckte sich rasch hinter die Brüstung und zog auch das Mädchen zu sich herunter. Durch ein Astloch beobachtete er den Mann, den er hier zum ersten Mal zu sehen bekam, leider in freier Wildbahn!
Flüsternd informierte er das erstarrte Mädchen, daß dies an sich ein harmloser Mensch sei, aber man kann ja nie wissen … Er hielt sie nieder in der Hocke und ließ seine Hand auf ihrer Schulter liegen, damit sie nur ja keine unvorsichtige Bewegung macht. Beide beobachteten durch Ritzen zwischen den Schalbrettern hindurch, was nun weiter geschehen würde.
Der Mensch da unten «verhoffte», so muß man es wohl ausdrücken, er mochte seine Flucht bereits bedauern, falls sein geschädigtes Hirn solche Regungen zuließ. Nun sah er den Hochsitz, und er taumelte darauflos. Adelheid barg sich an Sowtschick, der sie gleichzeitig an sich heranzog, dem war auch nicht so ganz wohl.
Das Ungetüm packte die Leiter und schickte sich an, hinaufzuklettern. Da konnte Adelheid nicht anders, sie schrie auf! Das verdutzte den da unten, oh! Was ist denn das! Er hielt einen Augenblick inne, um sich dann zu sputen und desto schneller die Sprossen zu nehmen. Ein freudig-gieriger Ausdruck spiegelte sich auf seinem fleischigen Gesicht. «Ich komme schon!» schien er rufen zu wollen, und er mochte meinen, daß er da oben hochwillkommen sei.
Sowtschick drückte die Leiter mit dem Fuß ab. Er hielt sich an einem Pfosten fest und gab dann der Leiter mit dem darauf emporkletternden Fleischhaufen einen Schubs. Sie kippte nach hinten weg, und der Mensch fiel ins Gebüsch und blieb dort klagend liegen. Klagend: nicht, weil er sich weh getan hätte, sondern weil er wieder einmal zurückgestoßen worden war von blonder braungebrannter Sportlichkeit.
Im Gebüsch lag er als großer schwarzer Klumpen, und er schnaufte. Dies Schnaufen schien einen Augenblick schwächer zu werden, doch dann intensivierte es sich rhythmisch. Es war deutlich zu sehen – das war es, was Sowtschick an Robby, dem Rüden, so haßte –, daß in dieser Kreatur das Fleischliche noch sehr lebendig war und nun Oberhand gewann, und Adelheid bemerkte das auch, und sie bekam, obwohl sie doch Medizin studierte, einen roten Kopf.
Ehe noch die Dinge sich zuspitzten, kam der Trecker zurück, mit dem Bauern, dem sie schon begegnet waren. Er hatte den Schulmeister geholt, der hinter ihm stand im Führerhaus und sich festhielt. Nun sprang er ab und hieb auf seinen Sohn ein. Der erhob sich weinend und umarmte den Vater, der jedoch weiter auf ihn einprügelte. Endlich fuhr die Gesellschaft davon.
Gott des Himmels und
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