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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Seite überzuwechseln. Irgendwie. (Dergleichen könnte man vielleicht selbst mal versuchen.) Was die praktische Adelheid betraf, so fand Sowtschick jetzt des öfteren sein Bett frisch bezogen oder gar dreieckig aufgedeckt. Manchmal war ein Lolli auf dem Kopfkissen deponiert oder gar ein Zettel: Ich mag dich.

    Gelegentlich war sie in der Speisekammer aufzuspüren, wo sie mit ihren festen Fingern Heringe aus der Dose aß. Manchmal saß sie auf dem Rasen und zeichnete die grüne Laube ab mit ihren weißen Sprossen, den hellroten, daran aufkletternden Rosen und der schwarzen Omorika dahinter, unschuldig-einfach. Sowtschick sah ihr dabei zu. Sie saßen dann nebeneinander, Sowtschick eine Blume hinterm Ohr und Adelheid mit aufflauschendem Rock. Er schaute ihr zu und tippte auf ihren Zeigefinger und rieb ein wenig daran, und sie zog ihn nicht fort, sondern hielt gegen, weshalb Sowtschick ihr denn auch eines schönen Tages im Weggehen einen leichten Kuß auf das Haar drückte.

    Die Fotos von dem Inder waren so gut geglückt, daß die Mädchen ebenfalls fotografiert werden wollten. Das ließ Sowtschick sich nicht zweimal sagen. Er kaufte Filme, und dann spielte er «Blow up» mit Mikro-und mit Makroobjektiv, schräg von unten oder auch mal mit den Schafen im Hintergrund. Ganz nah ging er ran: ein Ohr mit goldenen Löckchen, eine entblößte Schulter oder auch, mit Teleobjektiv, Körperteile, die mit Porträtfotografie nicht eben viel zu tun haben.

    Bei dieser Arbeit konnte viel «du» gesagt werden, es kam zu Körperkontakten, und weil alles so gut gelang, nahm Sowtschick die beiden auch mal in den Arm, was sie nicht von sich wiesen. Einzig störend war bei diesen Unternehmungen das Mädchen Erika, das mit einem Gummiband Haselnüsse verschoß.

    Die Dorfjugend – «total bematscht» – sprach von Sowtschicks «Harem». Ab und zu ein helles Lachen der von Gott geschaffenen Mädchen, das war alles, was sie vom Zaun aus mitkriegte. Deshalb mußten «die Idis» schon sehr peilen, was darin gipfelte, daß sie die Mofas laufen ließen und auf Sowtschicks schönen Zaun stiegen.

    «Ist was?» rief er den jungen Burschen zu, die «Watt schall sin?» zurückriefen und nur widerwillig abstiegen von ihren Aussichtsposten.

    Dieser geile Bock, mochten sie denken, uns läßt er nicht einmal schnubbern …, und mit ihren Bierdosen machten sie Zielwerfen nach den Gartenlampen.

    Ansonsten hatten alle etwas davon, daß in Sowtschicks Haus Jugend eingezogen war, die Hunde, die das Fragende in ihrem Blick verloren hatten: jeden Tag wurden sie gebürstet, und ein rotes beziehungsweise blaues Schleifchen trugen sie, die Schafe, die regelmäßig umgepflockt und mit frischem Wasser versorgt wurden (die dankbaren Tiere bekamen sogar einen Sonnenschirm hingestellt), und der Klavierstimmer: Dieser Mann, der auch in den heißesten Tagen ganz in Schwarz ging und ein Schappiskäppchen auf der Glatze trug, konnte es wieder einmal loswerden, daß auf jeder der zweihundertdreißig Saiten neunzig Kilo Spannung lasten (eine Information, die Sowtschick nicht mehr hören wollte).

    Sogar Hessenberg, am Telefon, nahm auf seine Weise Notiz von den Veränderungen im Haus seines Autors. Ob Frau Sowtschick bald wiederkommt, wollte er von Gabriele wissen.

    Die drei rauften sich zusammen, wie Sowtschick in sein Tagebuch schrieb: «Wir haben uns zusammengerauft.» Wenn er Klavier spielte, dachte er nicht mehr daran, ob ihnen das gefällt, was er da spielt, und den beiden Mädchen verschmolz der silberne Klang des Instruments mit dem Plätschern des Brunnens und dem Tuckern eines fernen Treckers. Sie schwammen den Schwimmgang hinauf-hinunter, sahen Fernsehfilme oder saßen in der Laube und sprachen über Gott und die Welt, das heißt über Schule und Elternhaus und über Amerika, wo die Leute statt «Goddam» «Gosh danged» sagten, und statt «fuck» «fudge». Gabriele strickend, Adelheid lesend. Das blonde Haar: Am schönsten war es, wenn es etwas fettig war, goldenhell, Bosnien-Herzegowina, Salz und Brot.

    Dieser einzige Sommer, dachte Sowtschick und nahm die Zeitung auf. Ich werde an ihn zurückdenken und werde sagen: Ich bin sehr glücklich gewesen.

    S ie machten ihm in der Tat zu schaffen, die Gedichte. Wenn Sowtschick morgens, als «Frühstückskönig», wie ihn die Mädchen schon sehr bald nannten, friedlich seine Zeitung las, dann näherte sich das Löwenheckerchen bereits mit einem geweihten Blatt Papier in den Händen. So wie die Pferdemädchen

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