Hundsvieh - Kriminalroman
Vater!«, sagt ein Dreikäsehoch neben mir, und ich schreibe: ›Nasdrowie Breschnev Gorbatschow Lenin Wodka Gryzko‹.
»Vielen Dank, Gryzko!«, flötet der Kleine ehrfürchtig und nimmt das Plakat entgegen.
Dann wird ein Shirt vor mir auf den Tisch gelegt. »Für Jonathan!«
Mit zitternden Fingern beginne ich zu schreiben.
»Haben wir uns nicht schon mal gesehen?« Keller geht auf die Knie.
»Kennen? No!«, flüstere ich mit rauer Stimme.
»Das ist nicht Iwan Gryzko!« Keller reißt mir das Shirt aus der Hand. »Dieser Mann ist Mettler, ein Dieb, ein Fälscher, er hat gestern Abend im Kunstmuseum eine Skulptur gestohlen!«
Bevor jemand reagieren kann, kippe ich den Tisch mit den Fanartikeln in Kellers Richtung, schalte zwei Verkäufer mit Bodychecks aus, höre noch den Jungen mit dem Plakat »Mann, der ist gut, noch besser als Gryzko!« rufen und renne los, hinter mir ein Riesengeschrei, vor mir an der Kasse Kubashi, der eben seinen Micro-Scooter bezahlt.
»Den nehme ich als Vorschuss mit, mein Freund!« Und schon flitze ich mit dem kleinen Tretroller um die Ecke und rase auf die Rolltreppe zu. Eine Mutter springt mit ihren Kindern zur Seite, eine ältere Dame nimmt ihr Hündchen auf den Arm, ein Rentner leert seine Einkaufstasche aus, irgendwie schaffe ich es die Treppe hinunter, kippe ein Gestell mit Kosmetika um, springe wieder auf meine Maschine, nehme die Kurve und bin endlich draußen vor dem Warenhaus.
Gegenüber vor dem Kunsthaus stehen zwei Polizisten, auch auf der Bahnhofstrasse sehe ich Uniformierte, der Weg hinunter zum Schnellzug ist versperrt. So hetze ich zum Postplatz, folge der Hauptstraße, überquere die Straße und die Schienen der Arosabahn, die hier wie eine Tram durch die Stadt holpert, dann nehme ich die Brücke über die Plessur. Hinter mir hupen etliche Autos, Reifen quietschen, doch das kümmert mich nicht.
Beim alten Zollhaus endlich die Abzweigung, die zur Lenzerheide hinaufführt. Es gibt keinen schnelleren Weg aus der Stadt hinaus.
7.
Einen Moment bleibe ich stehen, atme tief durch und schaue zurück. Niemand ist mir gefolgt. Es hätte mich auch erstaunt, der kleine Micro-Scooter läuft wirklich wie ein geölter Blitz. Kubashi hat eine gute Wahl getroffen.
»Hey, willst du mitfahren, oder hast du vor, hier noch lange herumzuhängen?« Die Tür eines knallgelben Mini Coopers öffnet sich, ich lasse mich auf den Ledersitz hinunterfallen, die Fahrerin drückt aufs Gas, und der Wagen schießt die steile Rampe hinauf. »Geht doch besser als mit dem Tretroller, oder?«
»Normalerweise bin ich nicht mit dem Scooter unterwegs!« Ich komme mir lächerlich vor mit dem silbernen Spielzeug zwischen meinen Beinen.
Wir lassen die Stadt hinter uns, gewinnen schnell an Höhe. Die Landschaft rauscht vorbei, Bäume, steile Wiesen, immer wieder tauchen gefährlich nahe die Stützmauern vor meinem Fenster auf.
»Wegen mir brauchst du nicht so zu rasen, ich habe es nicht besonders eilig!«
»Ach ja?« Ein spöttisches Lachen, ein Blick in den Rückspiegel. »Das hat vorhin aber anders ausgesehen!«
»Wie meinst du das?«
»Na ja, ich bin die Engadinerstrasse hinaufgefahren, als du vor mir durchgeflitzt bist. Ein Kind, das sich so auf der Straße verhält, würde man zur Nacherziehung eine Woche lang in den Verkehrsgarten schicken.«
»Ach das«, ich reibe mir die Nase, »das ist eine lange Geschichte.«
Die Fahrerin schaut kurz zu mir hinüber. »Ich liebe lange Geschichten, am Abend vor dem Kaminfeuer könnte ich stundenlang zuhören, wenn jemand etwas Spannendes erzählt.«
Ich klammere mich am Türgriff fest, als die Fahrerin mit quietschenden Reifen eine Kurve schneidet. Im Moment würde ich auch lieber vor einem Kaminfeuer sitzen.
»Angst?« Sie lacht spöttisch. »Vor wem hast du mehr Angst, vor mir oder vor denen da hinten?« Sie zeigt mit dem Daumen über die Schulter und beschleunigt erneut.
Ich drehe den Kopf, schaue zurück. Hinter uns fährt ein dunkelblauer BMW mit getönten Scheiben und Zürcher Kennzeichen.
»Was ist mit diesem Wagen?«, frage ich unsicher.
»Der folgt uns, seit wir Chur verlassen haben. Und ich habe nichts mit denen zu tun, das kannst du mir glauben.«
Ein BMW aus Zürich? Sind das Freunde von Kubashi? Das ergibt irgendwie keinen Sinn. Der Japaner tat vorhin im Warenhaus so, als hätte er den Hund noch nicht bekommen, als glaubte er immer noch, dass ich ihm das Tier besorgen könnte. Angenommen, die anderen Diebe in seinem Auftrag hätten den
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