Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
benötigte nur ein paar Sekunden, um einzustimmen.
«Ist der Kaffee gut?»
«Ein bisschen stark. Türkischer Kaffee eben.»
«Kannst du noch fünf Minuten sitzen bleiben?»
«Nachdem ich schon beinahe zwei Stunden sitze, ist das eine geradezu verlockende Aussicht!»
«Oh, Angelo, es tut mir so leid. Aber ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Bitte gib mir fünf Minuten!»
«Du kannst auch zehn haben. Deine Treppe ist gar nicht so unbequem, und es ist hier auch halbwegs kühl, jedenfalls nicht so heiß wie in Siena. Einige Artikel im Corriere della Sera habe ich schon zweimal gelesen …»
«Fünf Minuten, okay?»
«Bene!»
Laura hatte sich bereits ausgezogen, raffte ihre Kleider zusammen und raste ins Bad, stellte sich unter die Dusche, war schon wieder draußen, rubbelte ihr Haar, ließ ihr gelbliches Veilchen, wie es war, schminkte nur ihre Augen und ganz leicht den Mund. Etwas Parfüm, schwarze Leinenbluse, dunkelgrüne Hose, die Creolen in die Ohren. Ihre feuchten Haare kringelten sich. Sie hatte schon schlechter ausgesehen.
Ehe sie die Wohnungstür aufriss, atmete sie ein paarmal tief durch. Angelo Guerrini saß tatsächlich auf der obersten Treppenstufe, den Rücken an die Wand gelehnt und eine rosa Mokkatasse mit Goldrand neben sich. Die Arme vor der Brust verschränkt, sah er ihr entgegen, die feinen Fältchen in seinen Augenwinkeln zuckten.
«Wen hast du denn im Schrank versteckt, Commissaria?»
«Mich selbst, Angelo. Am liebsten hätte ich mich selbst versteckt, so sehr schäme ich mich.»
«Wäre aber schade, so schlimm siehst du gar nicht aus … warte, etwas gelber, als ich dich in Erinnerung habe, und deine Haare waren damals nicht so nass.» Er stand auf und streckte die Hand nach ihr aus. In diesem Augenblick öffnete sich die Wohnungstür der türkischen Nachbarn, und das Ehepaar Özmer stand lächelnd da und verbeugte sich.
«Kaffee gut, ja?»
«Grazie, sehr gut.» Guerrini verbeugte sich ebenfalls.
«Laura da, ja.»
«Sì sì, Laura da.» Der Commissario bückte sich und reichte Sefira Özmer die rosa Mokkatasse.
«Danke», sagte auch Laura. «So viel Arbeit. Vielen Dank für den Kaffee.»
Lächelnd blieben sie stehen, die Özmers, warteten, bis Guerrini seinen Rollkoffer in Lauras Wohnung gezogen hatte, und standen noch immer da, als Lauras Tür längst geschlossen war. Laura schaute durch den Spion, zog dann Angelo weg von der Tür und den langen Flur entlang bis ins Wohnzimmer. Dort blieb sie ein Stück entfernt von ihm stehen und betrachtete ihn wie eine unerwartete Erscheinung, ein Wunder. Er trug hellblaue Jeans und ein dunkelblaues Hemd aus dünner Baumwolle, sein Haar war ein bisschen länger als sonst, und er hatte sich seit mindestens zwei Tagen nicht rasiert. Seine Haut war stark gebräunt, und ein winziger grauer Schimmer, den sie bisher noch nie wahrgenommen hatte, lag über seinen Bartstoppeln. Der graue Schimmer stand ihm gut und rührte sie gleichzeitig. Vor einem Jahr, als sie sich kennenlernten, war sein Bart noch schwarz gewesen.
«Wie lange soll ich noch hier stehen?», fragte er und drehte sich um. «Von hinten auch?»
«Per piacere, commissario. Aspetti!» Laura trat nahe an ihn heran und schmiegte sich an seinen Rücken. Genauso hatten sie sich zum ersten Mal berührt, am Strand der Maremma.
Sie atmeten gleichzeitig ein und aus, verharrten ein paar Atemzüge lang. Dann drehte Angelo sich um, legte seine Hände auf Lauras Schultern und betrachtete ihr Gesicht.
«Er hat dich ganz schön erwischt, dein Penner.»
«In einer Woche ist es verschwunden», murmelte sie.
«Deine türkischen Nachbarn haben mir irgendwas von einem Cousin aus Amerika erzählt. Hast du Besuch, oder habe ich sie falsch verstanden?»
«Du siehst, ich habe gar keine Chance, dich zu betrügen oder jemanden im Schrank zu verstecken. Die muslimische Moral wacht über mich!»
«Und wer ist der Cousin aus Amerika?»
«Das war der Mann, der mir ein blaues Auge verpasst hat … nachdem ich ihm die Nase blutig geschlagen hatte. Erste Hilfe sozusagen.»
«Hat er hier geschlafen?»
«Ja, auf dem Balkon.»
«Aber das ist doch gefährlich, Laura! Du lässt einen wildfremden Mann in deiner Wohnung übernachten …» Guerrini runzelte die Stirn, und Laura schob ihn ein wenig weg.
«Sag mir nicht, dass du immer noch auf Ralf eifersüchtig bist! Es hat eine Stunde gedauert, ehe sein Nasenbluten aufhörte, und da draußen rennen lauter Leute rum, die von der Hitze ganz irre werden und
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