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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Menschen schlimme Dinge tun und warum andere zu Opfern werden. Es war ein bisschen wie Wissenschaft … die dunkle Seite der Menschheit. In letzter Zeit gehen mir die Dinge zu sehr unter die Haut.»
    «Kannst du nicht schlafen?»
    Sie lachte auf.
    «Meistens lässt man mich nicht schlafen. Nein, das ist es nicht. Schlafen kann ich, aber es gibt immer wieder Momente, in denen ich mich ganz verloren fühle.»
    «Wie verloren?» Er saß inzwischen im Schneidersitz auf dem Teppich, und Lauras Kehle wurde eng. Sie kämpfte gegen Tränen, einfach deshalb, weil er so aufmerksam zuhörte.
    «Verloren … das ist so wie in einem dunklen Wald, aus dem du nicht mehr herausfindest. Oder du weißt, dass entsetzliche Dinge geschehen, und kannst nichts dagegen tun.»
    «Könnte es sein, dass du traurig bist?»
    Red bitte nicht weiter, dachte Laura und schluckte gegen den Tränenkloß in ihrer Kehle an. Aber er redete weiter, erzählte von seinem Vater und dessen verzweifelter Wut gegen die Brandstifter in seinem Land und dass der Zorn für den alten Guerrini ganz heilsam sei, ihn zumindest vor einer Depression bewahre.
    Laura hörte zu, und der Klumpen in ihrer Kehle wurde allmählich kleiner. Sie streckte sich auf dem Teppich aus und legte ihren Kopf auf Guerrinis Oberschenkel.
    Zögernd begann sie vom Frosch zu erzählen, vom plötzlichen Machtrausch der Kindergruppe, der erst erlosch, als der Frosch besiegt war, sein Eigenleben zerstört. Und dass der tote Frosch sie immer wieder verfolge, dass sie ihn «meine Erbsünde» getauft hatte.
    «Wann taucht er denn auf?», fragte Guerrini und ließ seine Finger durch ihr Haar gleiten.
    «Eigentlich nur in besonders gefährlichen Situationen. Deshalb habe ich nicht begriffen, warum er plötzlich in meinen Traum geriet, als ich endlich Zeit für mich hatte.»
    Guerrini schwieg, dachte an seine innere Wüste, die sich noch vor kurzem mit erschreckender Schnelligkeit ausgebreitet hatte, sobald er innehielt und Zeit für sich selbst hatte. Offensichtlich war diese Wüste seine persönliche Alarmanlage, vielleicht sogar Erbsünde. Rückzug an allen Fronten. Erst seit er Laura kannte, wurde die Wüste kleiner und grüner. Mit einem Lächeln erinnerte er sich an den Kaktus, den sie ihm zu Weihnachten geschenkt hatte, als Beitrag zum Wüsten-Aufforstungsprogramm. Aber was machte man gegen Frösche mit aufgeplatzten Bäuchen? Man konnte sie nur begraben und betrauern, wie all die unzähligen anderen Opfer dieser Erde.
    «Vielleicht solltest du ihn begraben», sagte er deshalb. «Ich meine symbolisch. Es könnte helfen. Hast du jemals daran gedacht, ihn zu begraben?»
    Laura schüttelte den Kopf auf seinem Oberschenkel.
    «Ich habe ihn um Verzeihung gebeten, ich habe mit ihm gesprochen. Und ich glaube nicht, dass ich ihn begraben muss. Für mich ist er wirklich eine Alarmanlage. Wenn er auftaucht, dann stimmt etwas nicht, Angelo.»
    «Aber die schlimmsten Dinge sind doch erst passiert, nachdem dein Frosch im Traum erschienen ist.»
    «Nein!» Laura setzte sich auf. «Mit dem Fall Dobler sind alte Gespenster aufgewacht, die mich schon seit Monaten beschäftigen. Eigentlich muss ich meinem Frosch dankbar sein, denn er hat mich regelrecht aufgeweckt.»
    «Und die Verlorenheit?»
    «Vielleicht kommt sie daher, dass die alten Geschichten überall wieder losgehen. Neonazis gibt es ja nicht nur bei uns.»
    «Was noch?»
    «Ah, Commissario – ist das ein Verhör?»
    «In gewisser Weise.»
    Laura stützte das Kinn in beide Hände.
    «Also, was noch? Ich meine, ich verstehe, dass Neonazis Albträume auslösen können, aber bei dir gehört noch ein bisschen mehr dazu, Laura.»
    «Ja natürlich, du verhinderter Psychoanalytiker! Mich beunruhigte einfach alles: diese Hitze, die unklaren Nachrichten meiner Kinder, der Sinn meiner Arbeit, diese brutalen Morde, die Zerbrechlichkeit der alten Leute – einschließlich meines Vaters und … Ich hatte sogar Zweifel an unserer Beziehung.»
    «Beunruhigte oder beunruhigt?»
    «Ist das so wichtig?»
    «Absolut!»
    «Beunruhigt.»
    Er sah sie nachdenklich an, trank einen Schluck.
    «Perché? Warum – ich meine unsere ‹Beziehung›, wie du es nennst.»
    «Weil sie mir manchmal unwirklich erscheint.»
    «Jetzt auch? In diesem Augenblick?»
    «Nein, jetzt gerade nicht.»
    «Grazie!»
    «Bin ich schlimm?»
    «Nicht schlimmer als sonst. Deine deutsche Gehirnhälfte tickt schon wieder viel zu laut.» Er beugte sich vor und küsste sie, ehe sie antworten

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