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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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großen Gartenschlauch die Pisse wegspülen könnte. Aber er hatte keinen Schlauch, und es gab auch keinen Wasseranschluss da unten. Er würde Wasser von der Isar heraufschleppen müssen – eimerweise. Und was war mit den Reifen? Wie viele waren es? Sechs. Zwei Einzelreifen und hinten doppelte. Er hatte nicht die geringste Ahnung, woher er Ersatz bekommen könnte. Es gab Schrotthändler, die so was rumliegen hatten. Aber welche? Ralf verspürte wirklich keine Lust, die Schrotthändler der Stadt nach Reifen abzuklappern. Sein wunderbarer silberner Anhänger wurde langsam zum Problem.
    Ganz in Gedanken hatte er das Denkmal von Ludwig   II. erreicht, das zwischen den Bäumen hindurch über die Stadt blickte. Ralf blieb stehen und schaute zu dem starren gusseisernen König hinauf. Er folgte seinem Blick und musste plötzlich lachen. Der König schaute nicht auf das Nymphenburger Schloss, wie es wohl einst geplant war, sondern auf ein Heizkraftwerk.
    «So kann’s gehen!», sagte Ralf vor sich hin. «So kann’s gehen.» Er blieb auf der Bank neben dem König sitzen und schaute mit ihm gemeinsam über die Stadt. Das war im Moment besser als sein Anhängerproblem. Er brauchte Zeit.

ZUR GLEICHEN ZEIT nahm Commissario Angelo Guerrini zwei Kopfschmerztabletten und trank einen starken Kaffee. Obwohl er anschließend Magenschmerzen hatte, bedauerte er den langen Abend im Aglioe Olio keineswegs. Er hatte viel gelacht, vor allem, als Dottor Salvia, der junge Gerichtsmediziner, auf umwerfende Weise den Ministerpräsidenten Berlusconi nachmachte.
    Salvia hatte sogar gewisse Ähnlichkeit mit Berlusconi, war von etwas gedrungener Statur und besaß diesen kräftigen Bauernschädel mit sich lichtenden dunklen Haaren. Er konnte auch Romano Prodi nachmachen und den ein oder anderen Provinzpolitiker aus dem Norden – nicht schlecht, aber Berlusconi war eindeutig seine Stärke.
    Als er auch noch Leoluca Orlando aufs Korn nahm, den edlen Kämpfer gegen die Mafia in Palermo, der gerade seine Wiederwahl zum Bürgermeister verloren hatte, da allerdings hatte sein Vorgesetzter, Professore Granelli, ihn zur Ordnung gerufen.
    «Lassen Sie Orlando in Ruhe. Er ist ein großer, mutiger Mann.»
    «Ja, das finde ich auch!», hatte Sergente Tommasini zugestimmt. «Über solche Männer sollten wir uns nicht lustig machen! Gibt nicht so viele davon in unserem Land!»
    Dottor Salvia hatte eine Weile geschwiegen, nachdenklich einen Schluck Wein getrunken und dann geantwortet: «Ich achte Ihre Meinung, Signori. Aber auch der ehrenwerte Leoluca liebt die Macht. Es gibt keine Engel, und wir sollten uns hüten, Politiker zu Engeln zu machen! Hat er nicht genug erreicht? Gibt es auf der Welt nicht noch ein paar andere Dinge als die Macht?»
    «Ja, durchaus!», hatte Granelli geantwortet. «Aber wir brauchen auch Vorbilder. Und Orlando hat etwas von einem dunklen Ritter aus einem Fantasy-Roman. Er ist ein Vorbild, und davon hat dieses Land wirklich nicht viele, da hat Tommasini ganz recht!»
    «Ich denke, das ist ein allgemeines Problem – nicht nur in unserem vereinigten Europa!» Guerrini erinnerte sich genau an seine Worte. «Orlando ist ein Vorbild, aber er ist auch ein tragischer Held. Wer so viel erreicht hat wie er, der sollte sich auf die Position des weisen, erfahrenen Beraters zurückziehen.»
    «Beh, sei doch nicht so abgeklärt, Guerrini! Du bist noch nicht mal fünfzig. Das steht dir nicht!» Granellis meckerndes Lachen hallte von den hohen dunklen Häusern wider.
    Abgeklärt? Guerrini schaute prüfend in den Spiegel über dem antiken Waschbecken in seinem Büro. Der Spiegel zeigte ein paar blinde Flecken, verästelte Ornamente, die Flechten glichen oder Vergrößerungen von Einzellern unter dem Mikroskop. Außerdem zeigte er bernsteinfarbene Augen mit dunklen Schatten, dunkle Augenbrauen und eine steile Falte oberhalb seiner Nasenwurzel. Er hatte sich nicht gut rasiert an diesem Morgen, und seine Haare waren ein bisschen zu lang, schienen mehr silberne Strähnen zu haben als gestern. Trotzdem gefiel er sich eigentlich ganz gut, fand sich durchaus erotisch und keineswegs abgeklärt. Und er war noch immer der Meinung, dass Leoluca Orlando ein tragischer Held war, wie jeder Italiener, der den Kampf gegen die dunkle Seite seiner Landsleute aufnahm.
    Davon abgesehen war er überzeugt, dass die Gegenseite mit allen Mitteln Wähler gekauft oder bedroht hatte. So war das eben im Süden. In der Toskana ging es zivilisierter zu, und die Dinge waren

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