Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
geben. Unsere Reserven sind im Augenblick sehr knapp, und davon abgesehen … Ich meine, wir kennen doch unsere Sandler, Penner und ewigen Wanderer. Wahrscheinlich hatten sie eine Schlägerei, und die ist schlecht ausgegangen. Sie sollten sich erst einmal bei den Herrschaften selbst umhören, ehe Sie den Verdacht auf andere Gruppen ausdehnen. Übrigens, meinetwegen können Sie die Sonnenbrille abnehmen. Ich weiß, dass Sie ein Veilchen haben.»
Laura brach der Schweiß aus, diesmal allerdings nicht wegen der Hitze.
«Aber für die Überprüfung häuslicher Todesfälle haben wir genügend Personal?», entgegnete sie scharf und ignorierte die Bemerkung über ihr Veilchen.
«Auch nicht. Das wissen Sie genau. Jetzt fangen Sie schon wieder an, Laura. Meine Geduld hat Grenzen. Ich werde zwei Leute für Sie abstellen, und damit ist diese Diskussion beendet. Ermitteln Sie eigentlich immer noch in der Angelegenheit Dobler? Für solche Geschichten haben wir nun wirklich keine Zeit.»
«Nein!» Laura stand auf. «Ich ermittle im Fall einer kriminellen terroristischen Vereinigung, die es auf alte Männer und Obdachlose abgesehen hat. Das ist doch heutzutage die ideale Begründung für dringende Ermittlungen, nicht wahr?»
Heftig, dachte sie. Schon wieder ganz schön heftig. Sie unterdrückte ein Lächeln.
«Was?!» Kriminaloberrat Becker starrte sie an. «Sagen Sie das nochmal!»
«Kann ich nicht bei dieser Hitze. Der Satz war zu lang!»
«Sie nehmen sich ganz schön was raus, Laura.»
«Ach, wissen Sie, unsere Arbeit ist nicht einfach, und ich versuche, sie einigermaßen gut zu erledigen. Wenn jemand umgebracht wurde, dann ist es mir egal, ob es sich um einen Penner handelt oder um den Bundeskanzler. Ich will wissen, warum jemand umgebracht wurde, und ich will die Mörder finden, denn es gehört bestraft, andere zu misshandeln und zu töten. Und bei dieser Arbeit hätte ich gern die volle Unterstützung meines Vorgesetzten – das ist alles.»
Kriminaloberrat Becker erwiderte zunächst nichts, starrte Laura nur düster an. Endlich strich er mit einer Hand nervös über seine Stirn und atmete tief ein.
«Haben Sie im Fall Dobler irgendetwas in der Hand?»
«Es entwickeln sich konkrete Verdachtsmomente.»
«Könnten Sie sich noch ein bisschen unklarer ausdrücken?»
«Ich kann noch nicht darüber sprechen.»
«Warum nicht?» Jetzt brüllte Becker. «Ich bin weder verdächtig noch befangen, ich bin nicht in diesen Fall verwickelt, sondern Ihr Vorgesetzter, Hauptkommissar Gottberg. Warum also können Sie mir gegenüber nicht über Ihre Erkenntnisse sprechen?»
Laura versuchte ruhig zu atmen und gelassen zu bleiben. Aber sie musste zugeben, dass Becker sie mit seinem Wutausbruch ein bisschen erschreckt hatte. Er brüllte nicht sehr oft.
«Weil es sich um eine außerordentlich heikle Geschichte handelt, die bis ins Dritte Reich zurückführt. Es geht um den Verrat an jüdischen Mitbürgern. Mehr kann ich dazu wirklich nicht sagen.»
«Ich habe es geahnt!» Becker brüllte immer noch. «Wann hört das endlich auf! Der Krieg ist seit über sechzig Jahren vorbei. Hat diese Generation denn das ewige Leben? Und warum müssen ausgerechnet Sie auf so einen Fall stoßen?»
«Ich weiß es nicht», murmelte Laura. «Es tut mir leid. Bekomme ich meine Mini-Soko?»
«Zwei Leute, mehr nicht. Und Sie halten mich täglich auf dem Laufenden, Hauptkommissar Gottberg.»
«Danke.»
Laura verließ Beckers Büro und flüchtete zum zweiten Mal auf die Damentoilette, ließ kühles Wasser über ihre Hände laufen und betrachtete im Spiegel ihr blaues Auge.
«Hallo, Hauptkommissar Gottberg!», murmelte sie und dachte: Irgendwann steige ich aus! Trotzdem empfand sie nachträglich ein gewisses Vergnügen an dem bizarren Dialog mit ihrem Vorgesetzten.
Was jetzt?, dachte Ralf, der Steinmetz, als er das Johanniscafé verließ und sich zögernd Richtung Friedensengel bewegte. Der Geruch von Dönerkebab an der Ecke zum Max-Weber-Platz bereitete ihm Übelkeit. Ralf verabscheute Kebab. Er war mehr für Leberkässemmel, Fischsemmel, Fleischpflanzerl oder ein halbes Grillhendl. Das zusammengequetschte Zeug am Spieß war ihm nicht geheuer, und es hatte einen speziellen Geruch, den er einfach nicht ausstehen konnte. Er erinnerte sich daran, dass sein Anhänger samt Tunnel seit letzter Nacht nach Pisse roch, und ihm wurde noch ein bisschen schlechter.
Als er über den Fußgängerübergang am Max-Weber-Platz lief, dachte er, dass er mit einem
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