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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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gesprüht und in großen Lettern «Haus der Deutschen Kunst» und «Verbrennt die Entarteten» auf die grauen Säulen geschrieben.
    Interessant war, dass ihr sogenannter Anführer, Michael Geuther, in Schwabing wohnte. Nicht sehr weit von Karl-Otto Mayer. Laura betrachtete die Fotos von Geuther, die dem Bericht beilagen. Schwarzweißfotos, die bei Versammlungen und Demonstrationen aufgenommen worden waren. Geuther war jeweils mit einem kleinen schwarzen Pfeil markiert. Unauffällig sah er aus, hatte dunkle kurze Haare, sorgsam gescheitelt, trug fast immer einen Anzug. Nur einmal eine Lederjacke und Jeans. Sein Gesicht war keines, das man sich leicht merkte. Ein Allerweltsgesicht.
    Laura sandte eine detaillierte Anfrage über seinen familiären Hintergrund ans BKA und beschloss, noch einmal mit der alten Frau Neugebauer zu reden.
    Kurz darauf klopfte Florian Bader an ihre Tür und meldete, dass die letzte Nacht an der Isar ruhig verlaufen war. Kein Feuer, keine rechten Gesänge. Absolute Ruhe. Nur ziemlich viele Punker hätten sich weiter nördlich eine Art Lager gebaut. Könnte sein, dass es deshalb bald wieder unruhig werden könnte.
    «Warum?», fragte Laura.
    «Weil ein Teil der Punker zu Antifa-Gruppen gehört, und die haben etwas gegen Neonazis!», antwortete Bader.
    «Woher wissen Sie, dass einige zur Antifa gehören?»
    «Weil ich einen von denen kenne, und dann muss ich nur im Computer nachsehen, und schon habe ich all die Typen, die an ihm dranhängen.»
    «Grauslig, nicht?»
    «Wie meinen?»
    «Ich finde das grauslig! Haben Sie schon mal nachgesehen, was über uns und unsere Verbindungen im Computer steht, Florian? Ich wette, dass nicht, weil Sie gar nicht auf die Idee kommen, dass über uns etwas drinstehen könnte. Aber ich garantiere Ihnen, dass Sie etwas finden werden!»
    Er schaute zu Boden.
    «Schauen Sie doch mal nach. Das ist ein Auftrag!»
    Er nickte, drehte sich um und schloss leise die Tür hinter sich.
     
    Es dauerte fast eine Stunde, ehe Laura den neuen Wagen bekam. Er roch ein bisschen nach Zigaretten, obwohl es eigentlich streng verboten war, in Dienstwagen zu rauchen. Aber Tabak war besser als vergorene Milch. Auch in ihrem eigenen Wagen hing noch immer eine Erinnerung an die Zigaretten ihres Exmanns Ronald.
    Als sie das Haus erreichte, in dem Karl-Otto Mayer seit so vielen Jahren gewohnt hatte, konnte sie den Anblick des Leichenwagens kaum ertragen. Es kostete sie Mühe, auszusteigen und ins Haus zu gehen. Die Haustür stand offen, die Wohnungstür im zweiten Stock ebenfalls. Keiner der Nachbarn war zu sehen. Das große Haus wirkte, als hätten alle Menschen es verlassen.
    Auch der Flur war leer, im Wohnzimmer beugten sich zwei Männer in dunklen Anzügen über irgendwelche Papiere, waren so beschäftigt, dass sie Laura nicht bemerkten. Deshalb schlüpfte sie vorüber und schob vorsichtig die angelehnte Schlafzimmertür auf.
    Als Erstes sah sie eine Kommode, auf der ein Sarg aus Fichtenholz abgestellt war. Der Sargdeckel lehnte an der Wand. Dann allmählich wurde der Blick auf ein Ehebett frei, dessen eine Seite mit rüschenbesetzten Kissen bedeckt war. Auf der anderen Seite lag die schmale Gestalt des alten Mannes. Jemand hatte die Hände auf seiner Brust gefaltet und eine Mullbinde um seinen Kopf gewickelt, um seinen Kiefer zu schließen. Der Verband gab ihm das Aussehen eines Schwerverletzten, und Laura musste plötzlich an ihre Mutter denken, die nach kurzer Agonie auch so dagelegen hatte. Ein wenig eingeschrumpft, mit einer Mullbinde um den Kopf.
    Laura ging zu dem Toten hinüber und löste die Verbände. Die Leichenstarre hatte längst eingesetzt, und der Mund des alten Mannes blieb auch ohne Stütze geschlossen. Jetzt sah er wieder aus wie Karl-Otto Mayer, strahlte die Würde aus, die ihm zustand. Sie konnte ihm nicht ansehen, ob er in seinen letzten Minuten gelitten hatte. Entspannt lag er da, beinahe faltenlos und als Toter viel jünger denn als Lebender.
    In einer Vase am Fensterbrett steckten rote Stoffrosen. Laura zupfte eine heraus und legte sie dem alten Mann auf die Brust.
    «Sie, was machen Sie denn da? Wie sind Sie überhaupt reingekommen?» Einer der Männer im dunklen Anzug stand plötzlich im Zimmer.
    «Die Wohnungstür war offen», erwiderte Laura und zückte ihren Ausweis. Bloß nichts erklären oder sich auf irgendwelche Diskussionen einlassen.
    «Kripo», murmelte der Mann. «Kowalski, Bestattungsinstitut Pietas. Aber wieso Kripo? Es handelt sich doch um einen ganz

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