HUNGER & LUST: Das erste Buch zur Kulinarischen Körperintelligenz (German Edition)
Zielgruppen befriedigen. Dazu folgendes Beispiel, mit fiktiven Medien, aber realen Fakten: Im Vegetariermagazin lesen Sie, dass „rotes Fleisch laut zahlreicher Untersuchungen Darmkrebs verursacht. Ballaststoffe aus viel Obst und Gemüse hingegen schützen vor Darmtumoren“. In der Zeitschrift Mein Steak werden Studien zitiert, die keinen Zweifel zulassen: „Rotes Fleisch hat keinen Einfluss auf die Entstehung von Darmkrebs. Und gerade wurde widerlegt, dass viel Obst und Gemüse vor Krebs jedweder Art schützt.“
Die Devise lautet: Jeder Zielgruppe ihre Meinung . Deshalb lesen Vegetarier auch nicht Mein Steak, weil sie solche Meldungen nicht sehen möchten – im Gegensatz zu den Fleischessern. Die wiederum haben kein Interesse an den Berichten im Vegetariermagazin. Aber alle Redaktionen haben ihre spezielle Leserschaft zufriedenzustellen, sonst verliert das Medium seine Käufer und damit seine Existenzgrundlage. Zahlreiche PR-Meldungen der unterschiedlichsten Interessengruppen aus dem Bereich Ernährung und Gesundheit ermöglichen so jedem Journalisten, „seine Inhalte für seine Leser“ zu finden und gezieltredaktionell zu verarbeiten – und die entsprechenden Experten mit genau dieser Meinung finden sich auch sehr schnell.
Darüber hinaus wurde hierzulande kollektiv ein schlechtes Ernährungsgewissen gezüchtet, das inzwischen ebenfalls stets medial genährt werden muss und erneut durch den „Ernährungsbericht 2008“ der DGE bestätigt wurde: Wir sind zu dick und essen zu viel. Wir ernähren uns ungesund und bewegen uns zu wenig. Hier kommen Politik, staatliche Organisationen und die Akteure des Gesundheitssystems ins Spiel. Noch mehr PR und noch mehr Meldungen. Noch mehr Meinungsmache und Bevormundung unter dem Deckmantel der redaktionellen Glaubwürdigkeit, um der „Epidemie der Fettleibigkeit“ Herr zu werden und die Bürger zur Kollektivdiät zu motivieren.
Ernährungsbezogene Pressearbeit ist zu einer unüberschaubaren Massenveranstaltung verkommen , deren Teilnehmer häufig zum Zweck des Geldverdienens pseudowissenschaftlich untermauerte Meldungen verbreiten, die leider zu oft an „Volksverdummung“ grenzen.
Woher ich das alles weiß? Ich bin Ernährungswissenschaftler und arbeite seit mehr als zehn Jahren im PR- und Kommunikationsbereich der Ernährungs-, Medizin- und Pharmabranche. Jeden Tag lese ich zahlreiche Newsletter für die medizinische Fach- und Laienpresse, für Ärzte, Apotheker und Verbraucher. Ein wahrer PR-Tsunami, der täglich meinen Maileingang überflutet. Dabei erfahre ich stets aufs Neue, wie die eine Meldung pseudowissenschaftliche Esswahrheiten verbreitet und die andere Meldung diese Information wieder relativiert. Das hängt maßgeblich davon ab, welcher „Ernährungsphilosophie“ die Absender angehören.
Essenzielle Erkenntnisse als kleiner Vorgeschmack
D u isst, was Du bist. Wahrscheinlich haben Sie auf den ersten Blick gedacht, „alter Hut, kenne ich“, aber dann schnell bemerkt: Etwas ist anders. Richtig erkannt. Die Umkehr des geläufigen Sprichwortes bringt den Kern dieses Buches auf den Punkt und soll gleichzeitig dazu animieren, auch Essen & Trinken aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Und zwar weg vom rationalen Ansatz: „Das ist gesund und das ist ungesund, das sind gute und das sind schlechte Kalorien“, hin zur instinktiv-emotionalen Betrachtung: Essen & Trinken sind die tägliche Befriedigung des elementarsten Bedürfnisses zur Lebenserhaltung, die unsere menschliche Natur mit starkem Wohlgefühl belohnt .
Ernährung ist kein rationales Abarbeiten einer lästigen Pflicht, die Zeit kostet, um unserem Körper Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate plus einige Vitamine und Mineralstoffe zuzuführen. Wir sind keine emotionslosen Maschinen, die nur Treibstoff brauchen, und die Nahrungsaufnahme ist nicht reduziert auf standardisiertes, mechanisches Nachfüllen leerer Körpertanks oder gar ein notwendiges Übel. Ganz im Gegenteil, wie auch ein großer 100-jähriger Anthropologe unserer Zeit, Claude Lévi-Strauss, wusste: Der wahre Wert des Essens ist das A & O unserer Existenz . Und genau deshalb hat die Natur auch dafür gesorgt, dass dieses essen zielle Lebenserhaltungssystem an vorderster Gefühlsfront verankert wurde, damit wir uns ausgewogen ernähren: Wir können mehrmals am Tag mit Wohlgefühl belohnt werden, allein dadurch, dass wir uns mit Essen & Trinken am Leben halten – vorausgesetzt, wir können genießen. Das ist genial wie einfach und
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