HUNGER & LUST: Das erste Buch zur Kulinarischen Körperintelligenz (German Edition)
tatsächlichem Effekt sein mag, eines ist klar: Mit der rein rationalen Vermittlung von Wissen und der gewünschten Kontrolle des Essens über den Verstand wird nichts erreicht – fast nichts, denn diese Kampagnen haben einen gemeinsamen Effekt, der die Menschen von Jahr zu Jahr mehr verunsichert:
Wir wissen zu viel zum Thema „gesunde Ernährung“! Eine der Hauptursachen ist die permanente mediale Beweihräucherung insbesondere durch Fernsehen, Zeitschriften und Internet – laut Nationaler Verzehrsstudie sind die Medien Informationsquelle Nummer eins zum Thema Ernährung, weit vor dem Hausarzt. Aus allen Kanälen dauerberieseln uns Ratschläge zu gesundem Essen, zum Schönheitsideal und vor allem zu Mitteln und Wegen, wie wir schlank werden. Doch woher kommt diese unüberschaubare Fülle an Informationen? Die aufklärerischen „Fünf am Tag“-Bemühungen von Vater Staat sind ein Grund dafür. Hinzu kommt, dass sowohl Hersteller bestimmter Nahrungsmittel als auch wissenschaftliche Institutionen zahlreiche Studien durchführen, die in immer neue, vermeintlich gut gemeinte Handlungsanweisungen münden. Nicht zuletzt stehen große wirtschaftliche Interessen hinter dem Gesundheitspotenzial von Olivenöl, Kaffee, Wein, Sojabohnen, probiotischen Joghurtkulturen und zahlreichen weiteren „gesunden Nahrungsmitteln“. Den Redaktionen wird dieses „Potenzial“ meist per Pressemeldung serviert.
Die daraus resultierenden Artikelserien der von vielen Medien häufig ungeprüft übernommenen Forschungsergebnisse über gesundheitsfördernde Effekte von Kaffee und Wein, Nüssen, Brokkoli oder Tomaten gleichen einer unendlichen Geschichte. Daran beteiligen sich nicht nur Fitness-, Ernährungs- und „Health“-Magazine, sondern auch ein Großteil der Armada aus seriösen Tages- und Wochenzeitungen. Doch die aus dem gesamten Leben herausgelöste Bewertung einzelner Nahrungsmittel oder sogar ihrer Bestandteile als „gesund“ und die daraus resultierenden Ratschläge sind ebenso einfältig wie verantwortungslos. Den Menschen wird vorgegaukelt, Gesundheit sei mit diesem oder jenem Nahrungsmittel einfach essbar. Doch das ist ein Trugschluss: Gesundheitsrelevant ist allein die genetische Veranlagung, eingebettet in den gesamten sozialen und individuellen Lebensstil – und davon ist die komplette Ernährung wiederum auch nur ein Te i lbereich. Der zusätzliche Konsum einzelner, als gesund propagierter Nahrungsmittel oder gar isolierter Substanzen wie Vitamine oder bestimmte Fettsäuren liefert sicher keinen gesundheitsfördernden Effekt.
Essen allein macht weder krank noch gesund
Auf der anderen Seite ist es so, dass zahlreiche Nahrungsmittel und einzelne Inhaltsstoffe von medienorientierten Experten gerne wie die „Saddam Husseins der Ernährung“ behandelt werden: Zucker, Fett, Fast Food, Cola, Chips oder Pommes müssen als die bösen Buben herhalten, die uns krank machen. Hier sei erstens die Frage erlaubt: Warum sollte der gesunde Körper eines Echten Essers mittels Hunger und Lust Nahrungsmittel fordern, die ihn krank machen? Und zweitens gilt auch hier: Krank macht nur die komplexe Verkettung von Genen, Umweltbedingungen und Lebensstil mit dem Teil bereich Ernährung – sicher nicht das Frühstücksei mit Cholesterin oder ein deftiges Bratwürstchen. „Einzelne Nahrungsmittel haben keinen Einfluss auf die Gesundheit“, erklärt auch Professor Volker Schusdziarra vom Else-Kröner-Zentrum für Ernährungsmedizin in München.
Den Menschen wird durch diesen „Lebensmittelrassismus“ jedoch suggeriert: „Das eine Nahrungsmittel macht gesund und das andere macht krank.“ So wurden viele der in hoher Wiederholungsfrequenz kommunizierten Ergebnisse für den wissenschaftlich orientierten Bürger zur Wahrheit, der man Folge leisten muss, will man sich gesund ernähren. Nachfolgend ein paar populäre Beispiele kollektiv gelernter Ernährungsweisheiten: Obst und Gemüse sind sehr gesund und können Krebs vorbeugen, Cholesterin ist gefährlich und für Herzinfarkte verantwortlich, tierische Fette verstopfen die Adern, und Fett macht fett. Vollkornbrot ist besser als Weißbrot wegen der gesunden Ballaststoffe. Weißes Fleisch ist gesünder als rotes Fleisch, das Darmkrebs verursachen kann. Fisch muss auch mindestens zweimal die Woche sein, und Milch – ja, wer keine Milch oder Milchprodukte zu sich nimmt, dem splittern bald die Knochen. So weit verbreitet dieses Wissen auch sein mag, so fragwürdig ist es – denn es
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