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Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Hunkelers zweiter Fall - Flattermann

Titel: Hunkelers zweiter Fall - Flattermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
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die alten Kämpen, die auch nicht ans Meer fahren. Hier an diesem Flussufer, dachte er, ist es besser als an jedem verpissten Mittelmeerstrand, auch wenn die Wasserqualität scheints schlecht ist. Aber das alles ist nicht der Grund, weshalb ich nicht eingegriffen habe. Der Grund war dieser Schrei.
    Die Sanität war in knapp sechs Minuten da, die Polizei in zehn. Die Rheinpolizei ließ auf sich warten.
    Der Mann mit der schwarzen Mütze hatte sein Boot dicht am Ufer, wo die Strömung schwach war, heraufgerudert zum Anlegeplatz gleich unterhalb des Rheinbades. Es war ein junger Mann mit langem, blondem Haar, das er zu einem Zopf gebunden hatte.
    »Guten Tag«, sagte er, als Hunkeler zu ihm trat. »Da ist ein Mann ins Wasser gefallen, ich habe ihn herausgefischt.«
    Er war ziemlich verlegen, der nasse Mann im Boot hatte auch ihm zugesetzt, aber er versuchte zu lächeln.
    »Ja«, sagte Hunkeler, »ich habe ihn flattern und aufklatschen sehen. Sind Sie vom Schiff dort unten?«
    »Ja, von der Lorelei. Ich bin Holländer. Ich war gerade auf Deck und habe ihn mitten im Fluss winken sehen.«
    »Hat er etwas gesagt«, fragte Hunkeler, »als Sie ihn herausgezogen haben?«
    »Nein, kein Wort. Er wird sterben, denke ich. Ich habe ihn auf den Bauch gelegt, damit das Wasser auslaufen kann. Aber er hat zu viel geschluckt. Bitte helfen Sie mir, ihn ans Ufer zu tragen, er ist sehr schwer. Ich muss zurück aufs Schiff.«
    »Nein«, sagte Hunkeler, »die Polizei braucht Ihre Personalien. Das muss alles seine Ordnung haben.«
    »Ordnung«, sagte der junge Mann, »was ist das? Wie kommt ein alter Mann dazu, von einer so hohen Brücke zu fallen?«
    Sie schauten beide hinauf zur Johanniterbrücke, wo drei Laster im Stau standen.
    »Ich bin einmal mit einem Lastkahn den Rhein hinuntergefahren«, erzählte Hunkeler, und er wunderte sich, dass er das tat, »das war in jungen Jahren. Ich schlief vorne im Bug bei den Matrosen, auf dem Boden im Schlafsack. Die Besatzung bestand aus Holländern. Ich habe seither nie mehr so vernünftige, höfliche Menschen angetroffen.«
    Der junge Mann nahm die Mütze vom Kopf und strich sich verlegen übers Haar. »Können Sie helfen?«, fragte er und zeigte auf den Mann, der immer noch im Boot lag.
    »Nein.«
    Zusammen schauten sie ihn an, schweigend, die Stille hatte plötzlich überhandgenommen. Der nasse Anzug bestand aus dunkelblauer Gabardine, Hose und Rock vom selben Stoff, die Bügelfalten waren genau gezogen. Ein Sonntagsgewand offensichtlich, gedacht für besondere Tage, für Taufe, Hochzeit, Beerdigung. Die Socken aus grauem Nylon, die Schuhe schwarz, die Absätze schräg abgetreten. Die grauen Haare im Nacken einigermaßen lang, strähnig. Stirnglatze mit Leberflecken drauf, es konnten auch Altersflecken sein. Über dem linken Ohr lag der Bügel einer Hornbrille, leicht verrutscht. Die Wange bartlos, offensichtlich frisch rasiert, auffallend bleich, leicht bläulich angelaufen. Der Hals dürr, der Hemdkragen abgeschabt. Eine violette Krawatte, aus Seide. Der Mann mochte gegen einen Meter achtzig groß sein. Eine stattliche Figur vormals, jetzt schlaff und in unnatürlicher Stellung daliegend.
    Hunkeler trat mit einem Bein ins Boot, das heftig zu schaukeln anfing. Dann stieg er ganz hinein, kniete sorgfältig nieder und legte die Hand auf den nassen Männerrücken.
    »Er atmet noch«, sagte er, »wenn auch schwach.«
    Die beiden Sanitäter trugen weiße Berufskombis, die irgendwie endgültig wirkten. Die Bahre hatten sie auf den Treidelweg gestellt. Sie standen da, schauten auf das Boot, auf den alten Mann, der drauf lag. Offensichtlich wussten sie nicht recht weiter.
    »Einer muss ins Wasser«, sagte der Ältere, »sonst kriegen wir ihn nicht an Land. Vielleicht Sie?« Er schaute zu Hunkeler, der in Badehosen danebenstand.
    Hunkeler ließ sich hinabgleiten, bis seine Füße den kühlen Sand berührten. Es war die Stelle, an der sich an warmen Nachmittagen manchmal die Aale ringelten, vermutlich liebten sie die Sonne. Jetzt war der Sand leer, er spürte ihn zwischen den Zehen durchdrücken. Als er zum Boot watete, dorthin, wo der fremde Kopf lag, reichte ihm das Wasser bis zur Brust. Er packte einen Oberarm, dann den andern, er riss mit aller Kraft daran, zog den Oberkörper vom Boot, so dass der Kopf an seine Brust zu liegen kam. Er betrachtete kurz die Glatze, es waren Leberflecken.
    Auch der Holländer war ins Wasser gestiegen. Er hatte einen Arm um die fremden Knie geschoben und sich die Beine auf

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