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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Bell
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und ich hoppelte ungestüm,
mit Anja im Schlepptau, die vielen Treppen hinunter.
     
    Viel
zu lange dauerte die Fahrt durch eine flache, langweilige Gegend. Zwar drangen
durch einen breiten Fensterspalt hochinteressante Düfte in unser kleines
Vehikel, aber sie verflogen wieder, ehe ich Art und Herkunft analysieren
konnte. Die breite Straße lief gleichmäßig unter uns durch, andere Autos flogen
an uns vorüber, Häuser tauchten rechts und links auf und blieben zurück. Die
ganze Zeit immer das gleiche Bild, bis endlich Straßenbahnschienen und
vermehrte Geräusche das Nahen der Stadt ankündigten. Jetzt konnte es nicht mehr
lange dauern, und wir würden mit eigenen Augen sehen, wo die Frau wohnte, die,
aller Wahrscheinlichkeit nach, die Pläne anderer Leute fotografierte.
    Eine wirklich vornehme Gegend, Anja
hatte recht mit ihrer Vermutung. Die Häuser standen weit voneinander entfernt,
so daß einer dem anderen nicht in die Fenster gucken konnte. Jedes einzelne
Haus war umgeben von saftigen Wiesen mit Blumen drauf. Niedrige Hecken oder
teure Holzzäune trennten jeden Besitz ordnungsgemäß vom anderen.
    Wie gerne hätte ich mich auf diesen
Wiesen ausgetobt, aber Anja hielt mich fest an der Leine. Kurz gesagt, es
schien die rechte Umgebung zu sein für Afghanen, die sich von zuvorkommendem
Personal den langhaarigen Pelz striegeln lassen, für Windspiele, die affektiert
auf eigenem Rasenteppich ihre Runden drehten, und Dobermänner, deren
Vorhandensein bereits vorne an frischgestrichenen Törchen durch Schilder
angezeigt wird, auf denen steht: Vorsicht, bissiger Hund. Einem, der hier
wohnte, konnte es auf ein paar lumpige Mark nicht ankommen.
    Da wir den Wagen gleich am Anfang
der Straße abgestellt hatten, schlenderten wir an den Häusern vorbei wie zwei,
die nichts Bestimmtes Vorhaben, bis Anja dann plötzlich vor einer der niedrigen
Hecken stehenblieb und vorsichtig durch die Bäume spähte, die ihr die Sicht auf
das Haus dahinter versperrten.
    Ich war ganz überrascht, als sie
sich unversehens herunterbückte, die Leine abknipste und mir aufmunternd ins
Ohr flüsterte:
    »Lauf auf die Wiese.«
    Das ließ ich mir natürlich nicht
zweimal sagen. Wie ein Pfeil von der Sehne, so schnellte ich über das
unbedeutende Hindernis, ohne darüber nachzudenken, daß es mir passieren konnte,
daß ich plötzlich einer wütenden Dogge vors gefährliche Maul laufen konnte. Zu
lange hatte ich diese grüne Pracht entbehrt, als daß ich mir im Augenblick
solch seltenen Genusses den Kopf darüber zerbrochen hätte. In Windeseile
tränkte ich Blumen und Bäume und wühlte zwischendurch begeistert in abgemähten
Grasschnipseln.
    Was Großmutter Rosenstock sagte,
stimmte immer, auch jetzt. Jawohl: >Es kann der Beste nicht in Frieden
leben... <
    Der böse Nachbar war in diesem Falle
ein Mann mit grüner Schürze und einer Harke in der Hand.
    »Verschwinde!« rief er zu mir
herüber, schwenkte drohend sein Gartenverschönerungsinstrument und kam eiligen
Schrittes angestiefelt.
    »Wirst du wohl — !«
    Wild gestikulierend versuchte er,
seinen Worten Nachdruck zu verleihen, was aber nicht ganz gelingen konnte, weil
er in Wirklichkeit ein freundlicher Mann war. In diesem Moment kam Anja durch
das Törchen, blieb aber an der Hecke stehen. Auch sie rief nun: »Böser Hund,
kommst du jetzt sofort hierher!« Dabei wies ihr Zeigefinger gebieterisch auf
ihre Fußspitzen. Inzwischen war der Gärtner auch angelangt und fragte:
    »Ist das Ihrer?«
    Infam, wirklich, ich muß sagen, das
war infam. Mich erst auf diese Wiese zu schicken, und wenn ich gerade im
schönsten Spiel bin, deshalb zu schelten. Das hätte ich Anja wirklich nicht
zugetraut.
    »Ja, das ist meiner. Entschuldigen
Sie bitte, er hat sich losgerissen. Komm her, Schuftel.« Damit bückte sie sich,
um mich wieder an die Kandare zu nehmen. Ganz heimlich aber streichelte sie von
unten meinen Bauch und gab mir auch noch einen Klaps auf die Schenkel. Sollte
das etwa... ja, nur so konnte es sein.
    Das Ganze war eine abgekartete
Sache. Ich sollte von dem Gärtner erwischt werden,
ihn womöglich ans Törchen locken, damit Anja mit ihm reden konnte. Er war der
einzige Mensch weit und breit außer Anja, und Auskünfte mußte sie ja nun
einholen, dazu waren wir ja extra hergekommen. Das war natürlich eine ganz
andere Sache. Unter diesen Umständen konnte ich Anja nicht böse sein.
    »Er dachte sicher, wir wären schon
zu Hause,« sagte Anja. Der Mann kam noch ein Stückchen näher und strich

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