Hurra, die Lage wird ernst
sich
die Hände an der Schürze ab. Er hatte ein gutmütiges Gesicht, das aussah wie
ein auseinandergelaufener Hefestollen. Alles war breit darin: die Nase, die
Stirn und der Mund. Nur die listig zwinkernden Augen machten eine Ausnahme.
Weiter unten hatte er wunderschöne stämmige Plattfüße, von denen ihn so schnell
keiner herunterstoßen konnte. »Eigentlich habe ich ja Hunde sehr gern«, sagte
er, »hab’ selber einen. Verstehen Sie? ’nen weißen Spitz. Aber Sie wissen ja,
wie die Herrschaften so sind. Sie sehen es eben nicht gerne, wenn jemand
Fremdes auf ihrem Rasen tollt, und wenn’s auch bloß ein kleiner Hund ist. — Sie
wohnen also auch hier in der Gegend? Hab’ Sie noch nie gesehen.«
»Kann schon sein«, bestätigte Anja,
»wir wohnen in der Parallelstraße, aber wissen Sie, für so einen Hund ist eine
Straße wie die andere.«
»Na, sagen Sie das nicht, Fräulein,
meiner weiß ganz gut, in welcher Ecke er sich herumtreibt.«
Anja sah ihn freundlich an.
»Dann hat es dem meinen sicher ganz
besonders gut auf Ihrem Rasen gefallen. So ein Hund benimmt sich ja manchmal wie
ein Kind, immer ist das schöner, was die anderen haben. Übrigens, sind Ihre
Nachbarn schon wieder da?«
Fast abweisend fragte der Gärtner
zurück: »Kennen Sie die etwa näher?«
»Nein, nein«, beteuerte Anja
ehrlich, »ich wollte es nur wissen, weil das Haus doch ein paar Monate lang
unbewohnt war.«
Sofort hellte sich die Miene des
Wiesenfriseurs wieder auf.
»Ach so«, sagte er erleichtert, »ja,
das stimmt, leider sind sie vor ein paar Wochen wieder eingezogen. Wissen Sie,
ich rede ja sonst nie über Leute, aber da wohnen welche drin, die passen so gar
nicht in das Haus. Ausgenommen die Frau, die sieht sogar ganz toll aus. Als
Mann hat man dafür einen Blick. Aber benehmen können sie sich alle nicht.«
Anja nickte verständnisinnig und
stimmte ihm zu: »Wer weiß, was das für Leute sind. In den Zeitungen liest man
ja die tollsten Sachen, aber Sie werden ja Ihre eigenen Erfahrungen mit ihnen
gemacht haben.«
»Hab’ ich, und nicht zu knapp. Ich
hab’ mir schon manchmal so im stillen gedacht, ob bei denen wohl alles mit rechten
Dingen zugeht? Wenn Sie das manchmal hören könnten. Zwei von den Männern kommen
oft erst mitten in der Nacht heim, und dann schleichen sie so komisch ums Haus,
daß man glauben muß, sie haben was zu verbergen. Drei sind’s im ganzen, aber
der eine davon sieht ganz flott aus und fällt auch nicht gerade so unangenehm
auf wie die anderen. Aber wenn sie Partys veranstalten, oder wie man das heute
nennt, dann machen sie alle zusammen einen Krach, daß wir sogar hier drüben
fast aus dem Bett fallen.«
Das Gespräch schien ja ganz
interessant, und die Auskünfte, die der Mann gab, waren für Anja bestimmt
unbezahlbar, aber auf die Dauer wurde es mir zu langweilig, steif wie ein
Hundedenkmal dazuhocken.
Darum wünschte ich, sie hätte bald
genug erfahren. Aber nein, sie schien unersättlich und ermunterte den Mann
immer mehr zum Reden.
»Voriges Jahr, meine ich, hätten
aber doch andere, richtig nette Leute hier gewohnt.«
»Nein!« wehrte er mit aufgerissenen
Augen ab, »nein, da müssen Sie sich irren. Die wohnen mindestens schon an die
zwei Jahre hier. Sie verschwinden zwar zwischendurch immer mal wieder für
längere Zeit, aber sonst — . Wir hoffen ja auch, daß sie mal wieder von hier
fortziehen. Meine Frau hat schon oft gesagt: Erinnerst du dich noch, Eberhard —
ich heiße nämlich Eberhard — , also sie sagte: Erinnerst du dich noch, wie
herrlich ruhig es war, als wir hier einzogen? Vor drei Jahren, müssen Sie
wissen, habe ich die Stellung hier angetreten. Das war wirklich ein schönes
Jahr, da hat meine Frau recht. Bei denen da drüben hält es nicht einmal das
Dienstpersonal aus. Die neue Köchin hat sich gleich in den ersten Tagen wieder
verdrückt, und das Dienstmädchen ging vorige Woche.«
Vom
Haus her rief jemand. Ich konnte die Worte nicht verstehen, aber unser
Auskunftgeber fuhr wie vom Floh gebissen herum und verabschiedete sich etwas
eilig: »Ich muß jetzt wieder an meine Arbeit, vielleicht kommen Sie mal wieder
vorbei.«
Alter Schmecklecker, dachte ich. Der
hörte sich auch lieber Anjas Fragen an als die keifende Stimme im Hintergrund.
Ich konnte mir jedenfalls endlich die Beine vertreten, denn als wir wieder auf
der Straße waren, ließ mich Anja, wahrscheinlich zur Belohnung für meine
tatkräftige Mitwirkung, frei.
»Das hat der Schuftel gut
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