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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Bell
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verzichten,
sonst saß ich nachher, wenn der Schnee kam, mit dem Po im Kalten. Ich wollte es
mit der Eile nicht übertreiben, aber wenigstens mußte ich das Ziel im Auge
behalten.
    Wenn ich mir’s recht überlegte,
Liebschaften hatte ich während der ganzen Zeit keine gehabt. Ein vierbeiniger
Don Juan war ich jedenfalls nicht. Natürlich, hier und da mal ein kleines
Geplänkel, einmal zum Beispiel unter einem riesigen Kastanienbaum mit einem
süßen Spanielmädchen. Wir beschnupperten uns innig, während die harten
stachligen Früchte auf uns herunterprasselten und uns in unserem zärtlichen
Spiel störten. Oder mein allererstes Rendezvous mit einem
Rauhhaardackelmädchen. Sie hieß Susi, benahm sich aber, als sei sie Strolch.
Trotzdem, ein süßer Fratz war sie. Vielleicht lag mein Mangel an Beständigkeit
einfach daran, daß ich mir bisher keine Zeit genommen hatte, ein richtiges
Liebesverhältnis zu pflegen. Immer war die Zeit zu kurz, die natürlichen
Liebes-Entwicklungs-Stationen zu durchlaufen, denn schon lockte mich die
Freiheit wieder, und ich ließ die schnuckeligsten Weibchen im Stich.
    Versprechungen, und das bestätigte
ich mir ausdrücklich selbst, hatte ich allerdings nie und keiner gemacht, und
so belastete mich, was die Hundedamen betraf, nie ein schlechtes Gewissen.
    Ab und zu drehte ich mich herum auf
meinen Säcken, legte mich auf den Bauch oder rollte mich wie ein Igel zusammen.
Wie lang doch so eine einsame Nacht sein kann. Meine Gedanken waren weit fort
und die Wirklichkeit mit ihnen. Eines Tages würde ich auch Zeit haben, eine
treue, bildschöne Frau zu nehmen und darauf zu warten, daß sie mir viele kleine
bellende Knäuel schenkte. Eines Tages, ich wußte auch schon, wie sie aussehen
mußte, denn die Unterschiede, wenn auch nur rein äußerlich, hatte ich ja zur
Genüge studiert. Wir würden dann ein schönes Leben haben, friedlich und
behaglich.
    Bei dem Wort behaglich fiel mir mein
vorübergehender Wohnsitz in der Neubausiedlung Schäferstraße ein. Vielleicht
dachte ich aber auch nur daran, weil es sich bei dieser Unterkunft um die
nächstfolgende in der Serie handelte. Richtige Häuser waren das noch gar keine,
nur Rohbauten, bestehend aus vielen Steinen, großen Löchern in den Wänden
anstatt Fenstern, mit herumliegenden Holzstücken auf dem noch rauhen Fußboden,
Papiersäcken, allerlei Baudreck und allem möglichen Gerümpel. Laut war es hier
am Tage und in den Nächten empfindlich kalt.
    Es war nur eine Übergangswohnung,
die ich, wie ich zuerst glaubte, für mich ganz allein haben würde. Ich richtete
sie mir ganz gemütlich ein, indem ich alles, was nach Textil aussah, in einen
kleinen Raum im Erdgeschoß schleppte, wo die Rohrenden wie riesige Warzen aus
den Wänden herauswuchsen. Die so entstandene provisorische aber dennoch recht
weiche Matratze deckte ich tagsüber ab mit ein paar der staubigen Papiersäcke,
wodurch es mir gelang, meine Stätte der Ruhe und Besinnung vor neugierigen
Blicken zu schützen.
    Es war nicht die schlechteste
Unterkunft. Zwar fluchten die Arbeiter anfangs manchmal, wenn sie ihre Hosen
und Jacken vergeblich suchten, aber das nahm ich mir nicht zu Herzen, sie
schimpften auch sonst ganz gerne, daran gewöhnte ich mich schnell. Es herrschte
ein besonders rauh-herzlicher Ton auf diesem Bau. Die meiste Zeit hatten sie
ohnehin in einem anderen Abschnitt des Rohbaus zu tun. Bei mir würde es erst
wieder unruhig werden, wenn die Elektriker anrückten, das jedenfalls
prophezeiten sie mir, wenn sie mich kopfschüttelnd betrachteten.
    So lebte ich verhältnismäßig ruhig
und unbehelligt. Für meinen Unterhalt sorgten die Maurer. Ich teilte gerne mit
ihnen die Frühstücksbrote, die sie in verbeulten Blechkästchen anbrachten, und
die nicht von sparsamen Müttern waren. Auf diese Weise hatten sie ihren Spaß,
und mir war geholfen. Vielleicht betrachteten sie mich als so was wie ein
Maskottchen, das ihnen Glück bringen sollte, und ich hätte ihnen dieses Glück
gerne herbeigezaubert, denn trotz ihrer rauhbeinigen Art, konnten sie doch
mitunter richtig lieb sein. Viel später noch, wenn ich manchmal an einer
Baustèlle vorbeikam und mir der angenehme frische Geruch von feuchtem Mörtel
und neuem Mauerwerk in die Nase stieg, gesellte sich sofort in meiner Vorstellung
der von wurstbelegten Butterbroten, hartgekochten Eiern und dampfenden
Thermosflaschenkaffee hinzu.
     
    Eines
Tages bekam ich einen Untermieter, einen unangenehmen Beischläfer. Er beraubte
mich

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