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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Bell
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meiner weichen Unterlage und ließ mir nur die Papiersäcke. Zwei Buddeln
beulten seine abgewetzte Jacke rechts und links, sein Kinn glich einem
Stoppelfeld und sein Hemd einem Schweizerkäs. Dieser Herr band mir einen Strick
um den Hals, kramte zwei Geldstücke aus den Tiefen seiner Hosentasche und
brachte sie, wahrscheinlich schweren Herzens, zum Friseur. Dort wurde sein
Gesicht bepinselt und geschabt, so lange, bis man die Haut wieder sehen konnte.
Dann marschierte er mit mir in eine Gegend, in der feine Häuser standen, und er
verriet jedem Passanten, der ihm dort be-gegnete, daß er einen primg. Rassehund
zu verkaufen habe, wobei seine Hand auf mich wies. Der fünfte Mensch, ein
junger, hübscher Mann, nahm mich. Der Penner hielt die Hand auf, ein Geldschein
wechselte den Besitzer und ich erneut meinen Herrn.
    Der junge Mann führte mich zu seinem
Wagen und brachte mich auf dem schnellsten Wege in ein Etablissement, in dem
das mit Hunden gemacht wurde, was man vorher mit dem Stoppelmenschen angestellt
hatte. Ich wurde gebadet und trockengeblasen und gekämmt und gestriegelt. Als
ich mich danach im
    Spiegel betrachtete, war ich ein
richtiger feiner Pinkel geworden, piekfein und sauber, mit einem Wort: ein
Prachtkerl. Ich fühlte mich in diesem neuen Zustand ausgesprochen wohl,
vielleicht duftete ich ein bißchen viel nach Seife und so, aber das würde sich
schon wieder geben mit der Zeit.
    Zum zweitenmal wurde ich als
Geschenk verwendet, diesmal allerdings völlig legal, denn der junge Mann hatte
mich ja rechtmäßig erworben und es außerdem nicht nötig, mich als Trostpflaster
zu mißbrauchen. Mit meiner Übergabe sollte nicht ein schlechtes Gewissen
beruhigt werden, ich sollte Freude bringen. Und Sylvia freute sich riesig. Gern
dachte ich an den Augenblick, in dem sie mich an ihren Busen preßte. Ich hatte
eine ziemlich lange Liebespause gemacht und die Zärtlichkeit eines Menschen tat
mir wieder wohl. So ein weiches Plätzchen würde ich so schnell nicht wieder
finden. Den jungen Mann belohnte sie mit strahlenden, vielversprechenden
Blicken. Später verleibte sie mich einem Stab von Mitarbeitern ein, die
allesamt dazu da waren, Sylvias private wie berufliche Bemühungen effektvoll zu
unterstützen.
    Hier wurde ich nicht zum Schoßhund
degradiert, sondern erhielt einen Sonderauftrag, der darin bestand, die wenigen
Blicke, die an Sylvia abglitten, aufzufangen und sie erneut auf sie zu lenken.
Zu diesem Zweck stattete man mich vor jedem Spaziergang mit einer wahnsinnig
teuren Leine aus. Sie war hell-lila und paßte wunderbar zu meinem schwarz-braun
gemaserten Fell. Eine Menge glitzernder Steine zierte das Halsband, eine
dauernd baumelnde Quaste, an die ich mich bis zum letzten Tag nicht gewöhnen
konnte, störte mich entsetzlich. Im Kopfhaar trug ich eine zartlila Schleife
aus Samt.
    Ich war zwar immer gegen solchen
Tand gewesen, aber in diesem Falle nahm ich ihn hin, weil man ihn mir nicht
anlegte, nur um mich zu schmücken, sondern um ein bestimmtes Ziel damit zu
erreichen. Das war ganz etwas anderes. Es handelte sich dabei quasi um meine
Dienstkleidung, so konnte ich den Firlefanz akzeptieren.
    Gelernt hatte ich bei Sylvia nicht
allzuviel, höchstens, daß der Erfolg eines Menschen oft nicht von seinem Wert
sondern von seiner Verpackung bestimmt wird. Allerdings entwickelte sich
während dieser Zeit mein Selbstbewußtsein so erfreulich, daß ich mir in keiner
Minute während meiner Anwesenheit in dem schönen Haus Sorgen um meine Zukunft
machte. Ich würde sie schon irgendwie meistern, davon war ich überzeugt.
    Ich hatte Erfolg, denn ich erfüllte
meine Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit meiner kurvigen Herrin. Es gab nicht
einen, der sich auf der Straße, wenn ich mit Sylvia spazierenging, nicht nach
mir umdrehte, und die Blicke, die mich musterten, weiteten sich, sobald sie
dann auf mein Frauchen fielen, in offener Bewunderung. Es war ein faules Leben,
das ich führte, faul aber sauber, denn noch nie zuvor hatten sich so viele
fürsorgliche Hände mit meinem Äußeren beschäftigt. Abends langweilte ich mich
meist zu Tode. Da gab es nämlich bei uns Partys, solche blöden Veranstaltungen,
wo sich die Gäste an den Gläsern festhielten, damit sie, vom langen Herumstehen
müde, nicht umkippten. Sylvia mußte das tun, erstens um im Gerede und zweitens
im Geschäft zu bleiben. Ihr Manager ermahnte sie oft genug.
    Unsere Trennung wurde in diesem Fall
nicht von mir bestimmt. Diesmal zog es Sylvia in die Ferne,

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