Hurra, die Lage wird ernst
Staub vom Fußboden in
die Nase, und jedesmal wenn Anja anfuhr, lösten sich neue Staubkörnchen und
kitzelten mich. »Tschi« machte ich, denn ich konnte mich wirklich nicht mehr
beherrschen.
»Ruhig Schuftel« mahnte Anja von
hoch oben. »Wir sind gleich da.«
Wie von weit her hörte ich eine
Männerstimme. Sie kam näher und näher, und meine Nase juckte bereits wieder im
gleichen Maße, wie vorher. Als eine angenehme, höfliche Männerstimme gerade
sagte:
»Guten Tag, haben Sie etwas... «, da
prustete ich wieder ein »Tschi« in die Gegend. Hatte er mich jetzt entdeckt?
Mußte ich jetzt hierbleiben, und fuhr Anja ohne mich weiter? Ich hätte mich
selber beißen können, daß mir das passiert war.
»Ist was?« hörte ich Anja fragen.
»Das frage ich Sie«, sagte die
Männerstimme.
»Was soll schon sein, ich habe
geniest. Haben Sie nie Schnupfen?«
»Schon gut, wenn Sie nichts zu
verzollen haben, fahren Sie bitte weiter«, sagte der Mann und ich konnte
endlich wieder aufatmen.
Es dauerte noch geraume Zeit, bis
ich endlich, endlich aus dieser Enge herausgelassen wurde. Nachdem Anja mich
vorsichtig hervorgezogen hatte, packte sie mich aber doch noch beim Kragen,
schüttelte mich ein wenig und sagte:
»Da haben wir aber noch mal Glück
gehabt. Hat Anja dir nicht gesagt, du sollst ruhig sein?« Ich nahm ihr diesen
Tadel nicht weiter übel, dachte mir aber doch im Stillen: Leg du dich erst mal
da drunter, dann wollen wir mal sehen, ob du nicht auch ans Niesen kommst.
Jetzt
waren wir schon den zweiten Tag auf der Achse, und ich hatte die Fahrerei so
satt, daß ich am liebsten in den nächsten Wald entsprungen wäre, wenigstens für
ein kleines Stündchen. Anja merkte es wohl, daß ich immer verdrießlicher wurde
und tröstete mich:
»Wir sind ja bald da, noch ein, zwei
Stündchen, dann haben wir es geschafft, dann darf der Schuftel schwimmen.«
Das war allerdings ein Versprechen,
das mich für eine Zeitlang wieder munter machte. Schwimmen war eine wunderbare
Beschäftigung. Immer wieder hatte ich mich wollüstig in Bäche und Bassins
gestürzt, wenn sich eine Gelegenheit dazu geboten hatte. Am schönsten war es
bei Sylvia, mit der ich mich oft im hellgrün gekachelten Swimming-pool
tummelte. Vielleicht hatten die in Italien auch so ein Bassin, das wäre
herrlich.
Von jetzt an wartete ich ungeduldig
darauf, daß wir unser Ziel erreichten und ich die versprochene Badegelegenheit
begutachten konnte. Leider wurde es aber Abend, ehe Anja, selbst auch völlig
erschöpft, vor einem großen roten Haus haltmachte. Ich hatte die letzten
Kilometer verschlafen und wußte deshalb nicht einmal, was es für eine Gegend
war, in der wir uns jetzt befanden.
»Jetzt sind wir endlich da«, sagte
Anja, gar nicht mehr lustig. Eine dicke, dunkelhaarige Frau, die dauernd ihre
Hände an einer großen gestreiften Schürze abwischte, nahm uns in Empfang. Sie
redete sehr viel und sehr laut und zudem noch in einer Sprache, die ich noch
nie in meinem Leben gehört hatte. Für heute war ich aber auch viel zu müde, um
mich um viel Verständnis zu bemühen. Ich torkelte hinter Anja zwei Treppen hinauf,
hockte mich interesselos in eine Ecke des Zimmers, das uns die Frau angewiesen
hatte, wartete geduldig, bis mein Korb heraufgebracht wurde, sprang hinein und
merkte bis zum nächsten Morgen fast nichts mehr. Nur die Bilder wirbelten mir
durch den Kopf. Schilder und Wälder stoben vorüber, Flüsse und Straßen blieben
unter mir zurück. In meinen Ohren stritten sich hunderterlei Laute: Hupen,
Sprechen, Quietschen, Singen, alles das strudelte kunterbunt durcheinander.
Und dann, nach einem tiefen,
erschöpften Schlaf, kam ein neuer Tag herauf. Ein neuer Tag in einem fremden
Land, ein Tag, an dem es für mich so viel zu entdecken gab, daß ich diesmal gar
nicht erst bis zum Abend zu warten brauchte, ehe mir der Kopf brummte.
Nachdem
wir ausgeschlafen hatten, räumte Anja erst einmal die Koffer aus, legte und
hängte alles fein säuberlich in die Schränke und machte sich anschließend
selber hübsch. Zwischendurch blieb sie immer wieder vor einem der beiden großen
Fenster stehen, redete genüßlich beide Arme in die Höhe, atmete tief und hörbar
die würzige Luft und stöhnte: »Ah, das tut gut.«
Es war ein großer Raum, in dem wir
uns befanden, der außerdem die heraufsteigende Hitze nicht in sich aufnahm.
Vielleicht lag das an dem Steinfußboden und den enorm dicken Wänden. Durch die
Fenster drang ein nahes Rauschen, das in
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