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Hurra wir kapitulieren!

Hurra wir kapitulieren!

Titel: Hurra wir kapitulieren! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
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modernisieren und humanisieren würden, wären wir in der Lage, unsere Energien produktiv und kreativ einzusetzen. Indem wir es nicht tun, züchten wir Frustrationen, die sich in Extremismus und Terrorismus entladen. Ja, ich glaube, dass es eine sozio-sexuelle Grundlage gibt für den gegenwärtigen Aufschwung von Extremismus und Terrorismus in der moslemischen Welt.«
    Mit dieser Überzeugung steht Ahmed ziemlich allein da - in einer Gesellschaft, die von ihrer moralischen Überlegenheit überzeugt ist und voller Verachtung auf den dekadenten Westen schaut, wo die Frauen unver-schleiert herumlaufen, allein in die Disco und nicht unberührt in die Ehe gehen.
    Wo der Wunsch der Vater des Gedankens ist, da wird nicht zwischen Fakten und Fiktionen unterschieden, da ist auch der Unterschied zwischen Lüge, Notlüge und Wahrheit aufgehoben. Was haben wir über den irakischen Propagandaminister Mohammed Said al-Sahaf gelacht, als er vor laufenden Kameras von den Siegen der irakischen Armee gegen die amerikanischen Aggressoren berichtete, während hinter ihm schon die amerikanischen Panzer vorbeirollten. Nicht minder komisch agiert heute die Hamas, die zwar ihre Angestellten und ihre Stromrechnung nicht bezahlen kann, dennoch der EU, den UN, den Amis und dem Rest der Welt die Bedingungen diktieren will, unter den sie eventuell zu einem befristeten Waffenstillstand mit Israel bereit wäre. Von einem »Realitätsverlust« zu sprechen, wäre schon deswegen unangebracht, weil die Hamas noch nie im Zustand der Realität war.
    Die Pose funktioniert nur deswegen, weil ihr mit der Drohung von Terror Nachdruck verliehen wird. Und weil vielen die präventive Kapitulation vor dem Terror als die richtige Antwort auf den »totalitären Utopismus« erscheint, den die Terroristen predigen. »Der Terror wird heute ja nicht um seiner selbst willen ausgeübt, sondern im Namen einer Ideologie, die man Nazi-Islamismus nennen könnte«, sagt der rumänisch-amerikanische Schriftsteller Norman Manea; der einzige Unterschied sei der, »dass diese Ideologie sich auf eine Religion beruft, die Nazis dagegen waren mythisch, ohne religiös zu sein«. Manea spricht von einem »Dritten Weltkrieg«, der bereits begonnen habe. »Die Europäer zögern - wie schon in den dreißiger Jahren - die Wahrnehmung hinaus, welch ungeheure Tragödie sie erwartet, ja eigentlich schon da ist.«
    Die Bereitschaft zur Selbsttäuschung und zum Selbstbetrug ist schier grenzenlos. Ende Juni 2006 meldeten alle deutschen Zeitungen eine Sensation - die Hamas sei zu einer Anerkennung Israels bereit. Grundlage der Meldung war nicht etwa eine verbindliche Erklärung des regierenden Hamas-Ministerpräsidenten oder ein Beschluss des palästinensischen Parlaments, sondern ein »Dokument«, das in israelischer Haft einsitzende Palästinenser erarbeitet hatten, um die »nationale Einheit« zwischen den sich bekämpfenden Gruppen von Hamas und Fatah wieder herzustellen. »Hamas erkennt Israel indirekt an«, titelte die »Welt«. »Hamas will Israel offenbar anerkennen«, las man in der »Süddeutschen«. »Die Hamas lenkt ein - Indirekte Anerkennung Israels«, schrieb die »Frankfurter Allgemeine«. »Hamas: Israel existiert... irgendwie«, sinnierte die »taz«. »Anerkennung Israels mitten in der Krise«, freute sich die »Frankfurter Rundschau«, die Jerusalemer Korrespondentin des Blattes sprach von einem »Manifest für einen Staat in den Grenzen von 1967 , was sich als indirekte Anerkennung Israels verstehen lässt«. Noch weiter ging die »Berliner Zeitung«. »Hamas erkennt Israel an«, im dazugehörigen Kommentar war von einer »Einsicht in die Notwendigkeit« die Rede und davon, dass die Hamas sich »mit Israels Existenz« abfindet und eine »Zwei-Staaten-Lösung« akzeptiert.
    Zumindest die letzte Unterstellung war nicht ganz aus der Luft gegriffen. Hamas zeigte sich bereit, zwei palästinensische Staaten zu akzeptieren, einen in den seit 1967 besetzten Gebieten und einen auf dem Gebiet Israels in den Grenzen von 1967 . Eine »Anerkennung« des zionistischen Gebildes, wie »indirekt« sie auch erfolgen sollte, wurde in dem »Dokument der Gefangenen« nicht einmal angedeutet.
    Sie existierte nur in der Phantasie der Kommentatoren. Zum Glück waren es verschiedene Sprecher der Hamas, die bald darauf Klarheit herstellten: die Hamas denke nicht daran, Israel anzuerkennen, weder direkt noch indirekt, sie sei zudem entschlossen, den bewaffneten Kampf für die Befreiung Palästinas

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