Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
Vom Netzwerk:
Schriftstellern?
    »Hö … Hören Sie, ich habe meine Zeit nicht gestoh … ho … hohlen. Was soll’s a … also sein?«
    »Soll was also sein?«
    »Ich mei … eine: Soll es etwas Kriminelles sein oder etwas Sensationelles oder etwas Tragisches oder etwas Sentimentales oder eine hei … heitere Begebenheit von heute?«
    »Ich …«
    »Von welcher Zeitung sind Sie überhaupt?«
    »Von keiner …«
    »Agentur?«
    »M-m.«
    »Magazin?«
    »N-n.«
    »Ausländisches Bla … Blatt?«
    »Auch nicht, Herr Schreiber. Formann ist mein Name. Jakob Formann.«
    »Klaus Mario Schreiber. Also, wa … was benötigen Sie, Herr F … Fo … Formann?«
    »Ich benötige einen Schreiber«, sagte Jakob.
    Klaus Mario Schreiber starrte ihn brütend an.
    »Ich habe hier gesessen und Ihnen zugesehen«, sprach Jakob hastig weiter.
    »Sie schreiben so schnell! Und für so viele Menschen!«
    »Das sind Jour … Journalisten«, erklärte der junge Mann scheu und stotternd.
    »Und was wollen die von Ihnen, Herr Schreiber?«
    »Na, Geschichten na … natürlich. Entsetzliche, fröhliche, drama … matische, sensationelle, erschütternde, rührende über kl … kleine Hunde und a … alte Damen, alles, was es gibt … am meisten fröhliche, optimistische. In dieser beschissenen Zeit. Die ko … kosten natürlich am m … meisten.«
    »Sie … Sie verkaufen hier Geschichten?«
    »Jeden Tag von drei bis acht Uhr abends«, sagte Klaus Mario Schreiber fast demütig. »Sonntag geschlossen. Wenn da … das alles war, würde ich Sie ersuchen, mich allein zu lassen. Dann ka … kann ich, bis die nächsten Kunden kommen, an meinem Roman weiterschreiben.«
    »Sie schreiben einen Roman?«
    »Das ist der dritte. Zwei sind schon er … er … er … – na! – erschienen.«
    »Ja und? Es tut mir leid … liegt nur daran, daß ich selber kaum lese … Ich habe Ihren Namen noch nie gehört.«
    »Kein Mensch hat meinen Namen je gehört. Nur die Kritiker, weil sie über meine ersten beiden Romane Hymnen geschrieben haben, und die Buchhändler. Die vom We … Weghören.«
    »Wieso?«
    »Die Kri … Kritiken waren g … glänzend. Aber kein A … Aas kau … kaufte die Romane. Darum habe ich ja meine Story-Börse eingerichtet. Man muß leben. Und ich bin immer so du … durstig …«
    »Das habe ich gemerkt. Was ist das eigentlich, was Sie da trinken?«
    Schreiber machte eine Grimasse des Ekels. »Was wird’s schon sein? Wei … Weinbrandverschnitt be … bestenfalls! Was anderes gibt’s ja nicht. Man mu … muß bereits froh sein, wenn kein Me … Methylalkohol drin ist und man blind wird. Ist mir auch schon passiert.«
    »Sagen Sie, Herr Schreiber, es geht mich ja nichts an …«
    »Da ha … haben Sie recht.«
    »… aber
warum
saufen Sie so furchtbar?«
    »Ö … Ö … Ödipuskomplex. Mi … Mi … Mi … Minderwertigkeitskomplex. De … Depre … Depressionskomplex über den Zustand unserer Welt. Ir … Irgendein Kom … Komplex wird’s schon sein. Wissen Sie was, ich fürchte, ich muß meine grauenvollen Komplexe ohne Rücksicht und ohne Mitleid mit mir selbst so … sofort weiter bekämpfen. Sie kön … können mir also noch ein Gl … Gläschen …«
    Jakob winkte der alten Serviererin bereits.
    »D … Danke.«
    »Und obwohl Ihre beiden Romane so erfolglos waren, schreiben Sie einen dritten?«
    »Ich w … werde auch noch einen vierten und sechsten und elften schreiben, Herr Formann. Einmal wird einer hi … hinhauen. Bis d … dahin muß ich allerdings mein Geschäft hier weiterführen.«
    »Sie … hrm … Seien Sie nicht böse, bitte … Ich meine … Trinken Sie nicht ein bißchen viel?«
    »Fi … finden Sie?«
    »Nach dem, was ich so gesehen habe. Und das jeden Tag! Ich weiß nicht, ob Sie elf Romane schreiben werden, bis der große Erfolg kommt.«
    »Sie meinen, weil ich mich vorher to … totgesoffen habe?«
    »So, Herr Schreiber«, sagte die alte Serviererin und stellte ein neues Glas auf den Tisch.
    »Ja, das meine ich«, sagte Jakob.
    »Danke, Frau Anna. Ich lasse mich regelmäßig untersuchen, Herr Formann. Herz, Kreislauf, Le … Leber besonders – a … alles in bester Ordnung! Ich will Ihnen was verraten: Ich schreibe am besten, wenn ich be … besoffen bin. Das heißt also: Ich ka … kann immer schreiben! Tag und Nacht. Ich kann besoffen einschlafen im Bahnhofsbunker, und wenn einer mich weckt und braucht ganz schnell was Fro … Fro … Frommes oder eine

Weitere Kostenlose Bücher