Hurra, wir leben noch
bissige Satire – ich schreib’ sie sofort! Ohne Anmaßung, Herr Formann, ich wage zu sagen: Was ich nicht schreibe, das gi … gibt es nicht!«
»Okay! Engagiert«, sagte Jakob begeistert und drückte Klaus Mario Schreiber die Hand. Da habe ich ja pures Gold gefunden, dachte er.
»La … langsam, langsam«, sagte Schreiber, »was heißt: engagiert? Von wem? Von Ihnen? Gut. Wofür? Wie heißt Ihr Blatt? Oder Ihr Verlag? Oder soll ich für die lieben Klei … Kleinen Geschichten zur Er … Erbauung schreiben? Sie müssen schon ein wenig deutlicher werden.«
»Will ich gerne, Herr Schreiber. Sagen Sie: Was halten Sie von Whisky?«
»
Whisky?
Das Pa … Paradies auf Erden! Unerschwinglich teuer. Kann ich mir nicht leisten.«
»Aber ich«, sagte Jakob. »Scotch oder Bourbon?«
»Pfui Teufel, B … Bourbon! Scotch natürlich!«
»Okay. Also Sie kriegen Ihren Scotch. Ich akzeptiere jede Ihrer Forderungen, wenn ich sehe, daß Sie wirklich auch besoffen schreiben können – und schnell. Gut muß es natürlich auch sein.«
»Es
ist
gut«, sagte Schreiber bescheiden. »Sie fi … finden nichts Besseres.«
»Okay. Sie bekommen ein festes Gehalt, wir werden uns einigen. Nicht diese Einzelkunden, nicht diese Quälerei jeden Tag. Aber Sie müssen sofort anfangen!«
»Herrgott, wo?«
»Bei meiner Illustrierten.«
»Sie … Sie haben eine Ill … Illustrierte?«
»Sage ich doch.«
»Ja, aber er … erst jetzt. W … Wo ist sie denn, Ihre Illustrierte?«
»Die erste Nummer soll gerade rauskommen. Hier, bitte, wollen Sie meine Lizenz sehen?« Das kostbare Schriftstück, das er durch Vermittlung seines Freundes Generalmajor Hobson, Chef der Kulturabteilung bei der Amerikanischen Militärregierung im Hauptquartier Heidelberg, knappe vierzehn Tage nach dem Begräbnis des armen Jan Kalder erhalten hatte, trug Jakob stets bei sich.
Der Magere studierte es genau. Auf seiner hohen Stirn blühte die Akne besonders arg.
»Alles okay«, sagte Jakob beschwörend. »Ich hab’ da einen Freund in der Army. Wir haben einen Fernschreiber gekriegt – und den hat keiner sonst! – und die Nachrichtendienste von INS und AP und UP , und Fotos aus der ganzen Welt kriegen wir auch, und …«
»Orchidee.«
»Was?«
Der Schreiber tippte auf ein Wort der Urkunde. »
Orchidee
hei … heißt Ihre Illustrierte, steht da.«
»Ja«, sagte Jakob beklommen.
»Das ist kei … kein Name für eine Illustrierte, Herr Formann!«
»Vollkommen meine Meinung, Herr Schreiber!« Jakob lächelte selig. Er hatte ›Orchidee‹ nie leiden können.
»Also, ich bin geneigt, Ihr Angebot anzunehmen«, sagte der Magere, Schüchterne. »Unter den genannten Bedingungen. Aber nicht, wenn das Ding ›O … Orchidee‹ heißt. Ist das
Ihr
Einfall gewesen?«
»Nein, der meiner Chefredakteurin.«
»Dann lassen Sie sich zunächst einen anderen Namen einfallen, Herr Formann! Oder eine andere Ch … Chefredakteurin!«
»Ich hab’ schon einen!«
»Welchen?«
»Eh … verflucht, jetzt habe ich ihn wieder vergessen!«
»Vielleicht sollten
Sie
mal zum Arzt gehen.«
»Unsinn! Die ganzen letzten fünf Minuten hab’ ich mir gedacht,
das
ist der Name für meine Illustrierte. Ein kurzes Wort. Ich hab’s ein paarmal gebraucht im Gespräch mit Ihnen. O … o … o …«
»Okay?«
Jakob schlug auf den Tisch, daß das Geschirr klirrte und die alte Serviererin sogleich mit neuem Tee und neuem Schnaps angeschlurft kam.
»Okay! Das war es! OKAY – ist das ein Name für eine Illustrierte?«
»Da … das ist ein Name für eine Illustrierte, Herr Formann!«
»Okay!« Jakob lächelte selig. Ein solcher Trottel bin ich also auch nicht, dachte er. Frau Dr. Malthus nimmt sich ein bißchen viel heraus, diese elende Intellelle. (Komisch, im Bett ist sie prima.)
»So«, sagte Klaus Mario Schreiber, »und jetzt möchte ich gerne noch wissen, was Sie au … außer der Lizenz und dem Ti … Titel und den Na … Nachrichtendiensten noch haben, Herr Formann.«
»Wir haben alles!«
»Papier? Redakteure? Eine Druckerei? Einen Vertrieb? Journalisten? Zeichner? Fotografen? Techniker? Eine Setzerei? Eine Au … Auslieferung? Eine richtige Redaktion?«
»Hm. Richtige Redaktion … Ich habe da eine Ruine an der Lindwurmstraße gefunden. Das halbe Haus steht noch. Nur das Treppenhaus ist im Eimer. Die Redaktion liegt im dritten Stock. Drei Zimmer mit Bad. Da schlafe ich. In der Wanne. Alles da!«
»Wie ko … kommt ma … man denn in den dri …
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