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Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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dritten Stock ohne Tre … Treppenhaus, Herr Formann?«
    »Von außen! Man klettert eine Leiter hoch, wissen Sie, und kriecht durch ein Fenster. Das ist der Eingang. Großartig, wie?«
    »Gro … großartig, ja. Also Sie ha … haben wi … wirklich alles?«
    »Alles!« Jakob strahlte.
    »Würde mich interessieren, wie Sie das alles bekommen haben!«
    »Das ist eine lange Geschichte …«
    »Dann ma … machen Sie sie kurz, Herr Formann.«
    »Na schön. Ganz kurz: Ich habe einen Freund. Leiter der Kulturabteilung der amerikanischen Armee in Heidelberg. Der hat mir geholfen.«
    »A … a … aha.«

78
    »Also wo ist der Whi … Whisky?« fragte Klaus Mario Schreiber. Er saß, in seinen Stuhl zurückgelehnt, an einem langen Tisch, an dem noch etwa ein Dutzend andere Leute saßen, die ihn mit Mienen, deren Ausdrucksskala von Abscheu bis Totschlagnähe reichte, betrachteten. Schreiber nahm das geniert und schüchtern zur Kenntnis.
    »Schon da, Herr Schreiber«, ertönte Jakobs Stimme. Er kam aus der Küche gelaufen mit einer Flasche ›Johnnie Walker‹, einem Krug Wasser, einem Glas und einem Krug voller Eiswürfel. »Wir haben sogar einen Kühlschrank!« Jakob trug alles Genannte auf einem abgeschlagenen Emailletablett.
    »Was ist das?« fragte Klaus Mario Schreiber.
    »Wasser, Herr Schreiber.«
    »Wo … wollen Sie mich vergiften? Pu … Pur. Nur mit Eiswürfeln!«
    Jakob machte einen ersten gewaltigen Drink. Die Würfel plumpsten ins Glas. »Von jetzt an bedienen Sie sich selbst, lieber Herr Schreiber.«
    Der Angesprochene nickte scheu, trank und bekam einen entrückten Gesichtsausdruck. Er erinnerte Jakob, der ihn väterlich betrachtete, an das Bildnis dieses Kerls, der ganz still dasteht, sehr viele Vögel auf den ausgebreiteten Armen, den Schultern, den Händen und dem Kopf. Wie heißt der Kerl doch gleich? Egal!
    »Ja«, ließ sich Schreiber vernehmen. »Ach Gott, ja …« Er trank wieder. Unmut unter den Versammelten.
    »Ein Trunkenbold hat uns gerade noch gefehlt!« rief ein älterer Herr, der an Stelle des linken Unterarms eine Lederprothese trug. Mit dieser schlug er krachend auf den Tisch. Der Herr hieß Dr. Walter Drissen und war Textchef. Den Unterarm hatte er im Ersten Weltkrieg verloren, und wenn er auf sich aufmerksam machen wollte oder zornig war, pflegte er mit der Prothese auf die Tischplatte zu trommeln.
    »Ruhe!« sagte Jakob leise und gefährlich. »Herr Schreiber hat das Wort. Wir hören, lieber Herr Schreiber.«
    Dieser erleichterte sich durch zartes Rülpsen, trank noch ein Schlückchen und sprach: »Ja, also, verehrte Herrschaften, mit diesem Te … Textteil, entschuldigen Sie bi … bitte vielmals« – Schreiber tippte auf Manuskripte, die vor ihm lagen – »kö … können Sie gleich auf die Titelseite drucken: Wer dieses He … Heft anfaßt, kriegt Ty … Typhus!«
    Die Prothese krachte.
    »Sie unverschämter, besoffener …«, begann der Textchef Dr. Walter Drissen, aber Schreiber unterbrach ihn: »Ich bi … bin hierhergebeten worden von Ihrem Verleger, um ein Urteil abzugeben. Entschuldigt ha … habe ich mich schon für mei … meine Kri … Kri … na! … Kritik!« Er erhob sich und griff sanft nach der Whiskyflasche. »Viel Glück, a … alle miteinander!«
    Jakob, der neben Schreiber saß, stieß ihn in den Sessel zurück.
    »Sie bleiben hier und sagen Ihre Ansicht! Ohne Rücksicht auf irgend jemanden.«
    »Ich kenne ja überhaupt niemanden hier!«
    »Um so einfacher. Los! Und trinken Sie noch etwas!«
    »W … Wie Sie wollen. S … Sie sind der Ve … Verleger. Tro … otzdem sehr peinlich …«
    Schreiber trank noch etwas, dann war sein Glas leer (Jakob füllte eiligst nach) und sprach weiter: »Sie alle sind ho … hochgebildete, feinsinnige Menschen, hervorra … ragende Kö … Könner, jeder auf seinem Gebiet – ge … gewiß. Die Te … Texte sind ja auch nicht Dreck, das habe ich nicht ge … gesagt! Später einmal wird das alles vielleicht mal herrlich gehen! Nur jetzt und heu … heute – 1947, be … bedenken Sie! – gehen solche Themen und Texte
nicht
, weil sie den Leuten zum Ha … Ha … Hals raushängen! Novellen in diesem ›Du Uhr, du Bett, du Lokomotive, Bruder du!‹-Ton der ganz, ganz großen Menschlichkeit! Flüchtlingsschicksale! Heroische Landsergeschichten! Tiefsinniges über den lie … ieben G … Gott und die We … Welt! Übersetzungen von au … ausländischen Re … Reportagen! G … Glauben Sie

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