Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hurra, wir leben noch

Hurra, wir leben noch

Titel: Hurra, wir leben noch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
Vom Netzwerk:
Jakob. Verflucht, jetzt habe ich noch ganze zweitausend Dollar. Aber ich weiß, es wird nun bald ein Wunder geschehen …
    Schneidewind erhob sich schwankend, ging schwankend zur Tür und sperrte ab. Schwankend kam er zurück und ließ sich in den Sessel fallen.
    »Ha … ha … ha …«
    »Herr Regierungsrat?«
    »Ha … haben Sie die Dollars bei sich?«
    »Selbstredend, Herr Regierungsrat.«
    »Also worauf warten Sie dann noch, Mann?« schrie Schneidewind, wiederum schneidend. »Die besten Abnehmer finden Sie in der Winterstraße. Jede Razzia wird Ihnen oder einem Mann, den Sie mir nennen, vierundzwanzig Stunden vorher bekanntgegeben. Los, los, los, Mann, wollen Sie gefälligst die sechstausend Dollar auf den Tisch blättern!«
    »Aber bittschön, freilich«, sagte Jakob und begann zu blättern.

83
    Eine halbe Stunde später bereits fand er sich in der Winterstraße, die Regierungsrat Schneidewind ihm als Schwarzmarkt-Umschlagplatz so sehr empfohlen hatte, in Verhandlungen mit drei ›Verteilern‹ und einem ›Grossisten‹. Die drei Probe-Eier wurden angekratzt, leicht beklopft, zwei roh ausgetrunken von Spezialisten, auf deren Urteil sich der dritte Schwarzhändler (der ›Grossist‹) blind verließ. Die Spezialisten waren begeistert.
    »Erste Wahl«, sagte der eine. Da heulten schon Sirenen. Sehr laut. Sehr nahe. Die MP s auf ihren Jeeps und Trucks hatten die Sirenen erst sehr spät eingeschaltet. Praktisch erst, als die Winterstraße vorne und hinten abgeriegelt war und kein Mensch mehr entweichen konnte. (Nebengassen gibt es hier nicht, ausnahmsweise auch keine Ruinengrundstücke, die verfluchten Häuser sind alle stehengeblieben, dachte Jakob erbittert.) Und deutsche Polizei war auf einmal auch da.
    Panik kam auf, Geschrei, Gejammer, Fluchen in einem Dutzend Sprachen. Ein kurzer (von vornherein sinnloser, weshalb Jakob auch nicht an ihm teilnahm) Kampf folgte. Die MP s brüllten ununterbrochen, die deutschen Polizisten droschen wacker drein. Jakob setzte sich still auf den Bordstein, legte das eine ihm verbliebene Ei sorgsam zurück in die Watte des Diplomatenkoffers und wirkte klein wie ein Yorkshire-Hündchen. (Die haben sehr oft auch nur eines.) Er dachte: Der Schneidewind hat mich schön hereingelegt! Ein bulliger MP riß ihn hoch. Das letzte, was Jakob sah, waren seine Gesprächspartner, die eben von MP s festgenommen wurden.
    »Ich muß schon sehr bitten«, sagte Jakob indigniert.
    Der MP schrie ihn an: »Mak snell in truck, you no-good blackmarketeering-bastard, you!«
    »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich einer weniger schmutzigen Ausdrucksweise bedienten«, sagte Jakob dem fassungslosen Militärpolizisten in bestem King’s English. Dann schritt er zu einem der Laster, mit denen die Schieber und Schwarzhändler abtransportiert wurden, und zwei Minuten später raste sein Truck los. Eine Viertelstunde später erreichten sie das Gefängnis im Gebäude des Provost Marshal. Es war ein großes Gefängnis, aber zu klein für die vielen Festgenommenen. Sie saßen, bei offenen Zellentüren, dicht gedrängt überall auf dem Boden, auch auf den Gängen, und Jakob bekam die gleichen pestilenzartigen Gerüche in die Nase wie in dem Zug, der ihn nach Nürnberg gebracht hatte. Erbsen, dachte er, nix zu fressen gibt’s – offenbar nur noch Erbsen! Samt Würmern!

84
    Der amerikanische Offizier, der Jakob vernahm, war ein Brüller. Die Füße, in braunen Combat-Schuhen, hatte er auf seinen Schreibtisch gelegt. Vor den Schuhen sah Jakob den geöffneten Diplomatenkoffer. Darin, in Watte gebettet, das Probe-Ei. Bitternis überkam ihn. Es gab keine zweite Sitzgelegenheit im Büro. Lieutenant John Crawford verhörte seine Häftlinge immer so – er ließ sie stehen. (Psychologische Kriegführung, er hatte eine Menge Bücher darüber gelesen. Man könnte sagen: zu viele.)
    »Sie sind also geständig?« brüllte Crawford.
    »Zu was?« fragte Jakob, englisch.
    »Schwarzmarkthandel mit einem Ei! Schwerer Verstoß gegen Gesetz Nummer 432 der Militärregierung, Absatz k.«
    »Dürfte ich das Gesetz vielleicht einmal lesen?«
    »Kerl, wenn Sie mir frech kommen, lasse ich Sie sofort …«
    »Nicht frech. Ich möchte nur wissen, ob das Gesetz auf mich zutrifft. Sonst gebe ich Ihnen am Ende die falsche Antwort, Lieutenant. Und dann komme ich auch noch wegen Meineid dran. Oder ich belaste mich sinnlos.«
    »Sie sind auf jeden Fall belastet!«
    »Das ist noch lange nicht heraus. Ei ist nämlich durchaus nicht

Weitere Kostenlose Bücher