Hurra, wir leben noch
Nacht, Herr Formann …«
Acht Sekunden Rauschen in der offenen Verbindung. Der hat einen gesunden Schlaf, der Wenzel, dachte Jakob, ein Bein über das andere geschlagen, seinen Bauch kratzend. Und eine bildschöne Villa da oben im Taunus. Chauffeur. Großer Mercedes. Hat’s verdient, der Gute. Nach all der Rackerei. Ich habe schließlich auch mein Schloß in Bayern …
»Jakob?«
»Ich hab’ dich geweckt, was?«
»Du blödes A …«
»Entschuldige! Aber ich muß dich anrufen! Ganz wichtig! Gestattet keinen Aufschub! Du mußt dich sofort mit den Leuten in Verbindung setzen, die uns den Bau dieses Großklinikums vorgeschlagen haben …«
»Den hast du doch abgelehnt!«
»Jetzt lehne ich ihn eben nicht mehr ab! Ich werde ja wohl noch meine Meinung ändern dürfen! Nur ein Idiot hat immer die gleiche Meinung. Du nimmst die Verhandlungen auf. Wir bauen ein Großklinikum für alles, was es gibt!«
»Warum?«
»Ich wäre gerade eben beinahe gestorben. Nichts Ernstes, reg dich nicht auf. Aber ich will so was haben. Für den Fall, daß einem von uns einmal wirklich was Ernstes … alle Abteilungen … nur erste Fachleute … Finanzierung besprichst du mit dem Arnusch Franzl … Sieben-d-Gelder, denke ich … So wie bei den Schiffen …«
»Mensch, ein Großklinikum! Weißt du, was das kostet?«
»Klar. Massig. Ich will dir mal was sagen, Wenzel. Hör aufmerksam zu und vergiß es nie: Jakob Formann ist seiner Zeit immer um zwei Schritte voraus. Hast du das gehört?«
»Immer um zwei Schritte voraus. Und?«
»In einigen Jahren werden alle nach solchen Großkliniken schreien! Wir haben eine Verantwortung der Allgemeinheit gegenüber!«
»Seit wann?«
»Was soll denn das heißen? Hast du kein soziales Gewissen?«
»Okay, reg dich ab. Großklinikum also. Ganz wie du wünschst.«
»Wer is’n das, Süßer?« Eine Mädchenstimme!
»Was war’n das?«
»Nix. Hab’ geniest.«
»Schwindel doch nicht! Ein Mädchen hast du bei dir!«
»Na und?«
»Um Gottes willen, sei bloß vorsichtig!«
»Hör mal, das ist ein anständiges Mädchen!«
»Nicht deshalb. Hast du sehr viel zu Abend gefressen?«
»Jakob, du bist auch ganz sicher in Ordnung?«
»Ich spreche als dein Freund, Trottel!
Ich
, ich hab’ zuviel gefressen und dann gebumst. Und dabei wäre ich fast hops …«
»Wiesoherdenn?«
»Freßasthma. Das ist gar nicht zum Lachen. Mensch, paß bloß auf! Sachen gibt’s! Ach, in diesem Zusammenhang: In unserm Klinikum müssen wir auch ein Institut zur Erforschung aller Arten und Abarten von Vögel …«
»Eh?«
»Von Sex, du Trottel … Sexualpraktiken … Sexualstörungen … Homos … Lesben … Normale … Zwitter … Bi … Es gibt einen solchen Haufen … Und ist so ungeheuer wichtig.«
»Bei dir ist es also losgegangen. Armer Jakob …«
»Mensch, wenn du wüßtest, was ich gerade erlebt habe! Mir wackeln noch immer die Knie … Wie heißt der berühmte Professor in England, der sich auf Sex geworfen hat … jetzt habe ich den Namen vergessen … Fergusson! Den Fergusson mußt du sofort engagieren! Jakob ist seiner Zeit immer um zwei …«
»Mensch, der Fergusson ist eine Berühmtheit! Der hat den Nobelpreis! Der kriegt ein Vermögen bezahlt!«
»Dann bezahlen wir ihm das Doppelte! Widersprich nicht! Tu, was ich sage! Kauf ihn ein, ich verlasse mich auf dich! Wir kaufen alles! Alle anderen Ärzte müßten auch immer die Besten sein! Jakob Formann kauft nur das Beste! Immer! Kapiert?«
»Süßer, wer ist denn dieses Ekel, das uns da mitten in …«
»Halt den Mund! Nein, nicht du, Jakob!«
»Also ich verlasse mich auf dich! Jetzt muß ich nach Hamburg! Hotel ›Atlantic‹! Erwarte Vo … Vo … Vollzugsmeldung!«
»Burschi, leg dich bloß hin! Du kannst ja kaum noch reden, so müde bist du!«
»Müde? Ich? Nicht die Spur! Ich bin so taufrisch wie schon lange …« Jakob konnte gerade noch den Hörer in die Gabel fallen lassen, da sackte er auf dem Bett zusammen, in tiefsten Tiefschlaf. Das elektrische Licht brannte weiter. Jakob schnarchte ohrenbetäubend. Er träumte von den ›Verkehrsbeschränkungen‹ …
9
»Hier ist RIAS Berlin, eine Freie Stimme der Freien Welt! Guten Tag, meine Damen und Herren. Mit dem Gongschlag war es vierzehn Uhr. RIAS Berlin bringt Nachrichten … Nach Aufhebung der Berliner Blockade behindert die Volkspolizei der SBZ ab heute, Mitternacht, durch neue Schikanen das Leben in der geteilten Stadt. Zu Wasser, zu Lande und in der Luft
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